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Fahrlässige Tötung nach Garageneinbruch Einbrecher überfahren - Bewährung für Garagenbesitzer aus Sandersdorf-Brehna

Der Angeklagte aus Sandersdorf-Brehna kann laut Gericht nicht wegen Totschlags oder Körperverletzung verurteilt werden.

23.04.2021, 11:57
In diesem Garagenkomplex hat sich die Tat ereignet.
In diesem Garagenkomplex hat sich die Tat ereignet. Foto: Thomas Ruttke

Dessau/Sandersdorf - Vor dem Landgericht Dessau ist am Donnerstag der Prozess um den gewaltsamen Tod eines Jugendlichen aus Sandersdorf-Brehna mit dem Urteil beendet worden. Der Angeklagte wurde wegen fahrlässiger Tötung zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten auf Bewährung verurteilt. Er hatte im Juni 2017 den nach einem Einbruchsversuch flüchtenden Jugendlichen mit dem Auto überfahren.

Das spätere Opfer hatte sich mit drei Freunden in Delitzsch getroffen und war mit ihnen zum Garagenkomplex in der Thalheimer Straße gefahren

Die Kammer unter der Vorsitzenden Uda Schmidt folgte im Kern den Anträgen der Verteidigung. Der Staatsanwalt hatte drei Jahre und drei Monate wegen Körperverletzung mit Todesfolge gefordert, die Anwältin der Eltern fünf Jahre wegen Totschlags. Beide Vorwürfe standen zu Beginn des Verfahrens tatsächlich im Raum.

Was war in der Tatnacht geschehen? Das spätere Opfer hatte sich mit drei Freunden in Delitzsch getroffen und war mit ihnen zum Garagenkomplex in der Thalheimer Straße gefahren. Dort wollten sie in die Garage des Angeklagten einbrechen. Der hatte diese aber nicht nur mit einem zusätzlichen Tor und drei Vorhängeschlössern gesichert, sondern zusätzlich eine Alarmanlage installiert, die sich bei Einbruchsversuchen per SMS melden konnte.

Erst Minuten später bemerkte der Fahrer das Opfer unter dem Auto

Eben das passierte am 3. Juni 2017. Der Garagenbesitzer sprang daraufhin in den Opel Corsa seiner Freundin, war Minuten später an Ort und Stelle und entdeckte die Täter, von denen drei über einen Zaun flüchten konnten. Den vierten sah er im Scheinwerferlicht über die Zufahrt zu den Garagen in eine Wiese rennen. Er folgte dem Schatten, bog hinter einem Busch in die Wiese und überfuhr den am Boden liegenden Jugendlichen.

Dass er diesen weder gesehen haben konnte noch bemerkt hatte, dass der junge Mann unter sein Auto geraten war, bestätigten die Gutachten des Rechtsmediziners sowie die Erkenntnisse eines Dekra-Ingenieurs, der die Ereignisse vor Ort rekonstruiert hatte. Erst Minuten später bemerkte der Fahrer das Opfer unter dem Auto, befreite es mit Hilfe eines zufällig Anwesenden und anderer Männer, auf deren Handys ebenfalls der SMS-Alarm eingegangen war. Der junge Mann indes war da bereits tot.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte den Tod des Jugendlichen weder gewollt noch billigend in Kauf genommen hatte

Die Anwältin der Eltern hatte immer wieder äußerst umfangreiche Anträge eingereicht, um nachzuweisen, dass der Angeklagte den Jugendlichen bewusst getötet hatte. So verlangte sie ein Gutachten, mit dem bewiesen werden sollte, dass ein Mensch in Todesangst wegrennt und sich nicht im Gras versteckt - der Jugendliche also vom Angeklagten umgefahren wurde.

Das Gericht lehnte diesen und nahezu alle anderen Anträge aus sachlichen und juristischen Gründen ab. Schon zuvor hatte es zu erkennen gegeben, dass es sich bei der Tat juristisch um eine fahrlässige Tötung handeln könne.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte den Tod des Jugendlichen weder gewollt noch billigend in Kauf genommen hatte. Er könne deshalb weder wegen Totschlags noch wegen Körperverletzung verurteilt werden. Gleichwohl sei er verantwortlich, weil er beim Einbiegen in die Wiese das so genannte Sichtfahrgebot missachtet hatte. „Wenn eine Person da reinrennt, muss ich damit rechnen, dass sie stürzt oder sich versteckt.“

„Ich kann nur hoffen, dass Sie es lernen, mit den Jahren damit zu leben“

Beim Strafmaß berücksichtigte das Gericht auch, dass die Tat nunmehr bald vier Jahre zurückliegt, der Angeklagte geständig war und das Tatgeschehen „nicht durch ihn veranlasst worden war“.

Richterin Schmidt sagte an die Eltern gewandt, der Verlust eines Kindes unter solchen dramatischen Umständen sei das Schlimmste, was Eltern widerfahren könne. Ein Strafverfahren könne aber ihren Sohn nicht wieder lebendig machen. „Ich kann nur hoffen, dass Sie es lernen, mit den Jahren damit zu leben.“ Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. (mz/Thomas Steinberg)