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Ein-Mann-Show zeigt großes Kino

Von CHRISTOPH BEYER 19.05.2009, 14:55

WOLFEN/MZ. - Der Geruch von Popcorn gehört heute ebenso selbstverständlich dazu wie gigantische Colabecher. "Der Gong, bevor das Licht aus geht und der Film beginnt, muss auf jeden Fall sein", ergänzt Ralf Waltenberger, während er diesen Gong betätigt und kurz darauf einen Film startet.

"X-Men Wolverine" läuft in der Nachmittagsvorstellung im großen Saal in der "Filmfabrik" in Wolfen. Viele Zuschauer sind leider nicht gekommen, aber das Kino steht heute in harter Konkurrenz mit dem strahlenden Sonnenschein.

Den Gong gebe es nur noch in wenigen Kinos, für den Wolfener Kinobetreiber ist er ein wichtiger Teil des Erlebnisses in der Kino-Welt. Während das Licht langsam aus geht, betätigt er den Knopf für den Vorhang und startet den Projektor. Gut 20 Kilogramm wiegt die Rolle mit dem 35 Millimeter Film, die Waltenberger in ein ausgeklügeltes System von Rollen gespannt hat. Filme mit Überlänge können zwischen 30 und 40 Kilogramm schwer sein.

Im Saal ist es jetzt dunkel, und Waltenberger überprüft durch das Sichtfenster des Raumes den korrekten Beginn des Films. Werbung gibt es keine zum Start, Besucher sollten also besser pünktlich im Kino sein. Lediglich der Slogan der Filmindustrie "Kino - dafür werden Filme gemacht" flimmert über die Leinwand, dann geht es los. Im Vorführraum über dem großen Saal kann er einen so genannten "Teller" nutzen, das heißt, der Film wird sofort wieder richtig aufgewickelt. "Ich muss nicht zurückspulen, das spart Zeit zwischen den Vorstellungen", erklärt Waltenberger.

Seit Oktober 2006 betreibt Waltenberger das Kino in Wolfen in Alleinregie. Der 62-Jährige ist sein eigener Werbechef, Filmvorführer, Dispositeur und Gastronom in Personalunion. Seit 1957 steht das Kino in Wolfen. Gebaut und betrieben wurde es von der Orwo-Filmfabrik, der heutige Name erinnert noch an diese Vergangenheit. Seit den frühen 90er Jahren betrieb die Mata Hari Videothek GmbH das Kino, das man von der Treuhand erworben hatte. Zum Kinobetrieb sei man damals gekommen "wie die Jungfrau zum Kinde", erinnert sich Waltenberger.

Er war schon damals dabei, allerdings nicht als Kinobetreiber, er kümmerte sich um die Disposition für die Kinos. Das heißt, er wählte die Filme aus, besorgte sie von den Verleihern und handelte die Konditionen aus. Fünf Kinos hatte die Firma damals übernommen, heute existiert neben der "Filmfabrik" in Wolfen noch das Kino in Bernburg. "Die großen Filme zu den Bundesstarts zu bekommen, ist extrem wichtig", erklärt Waltenberger. Wenn er keine der Startkopien erhalten könne, dauere es oft mehrere Wochen, bis er einen Film zeigen kann. "Dann haben die meisten den Film schon woanders gesehen", ergänzt er. Zum Glück für das Kino und seine Besucher gelingt es ihm meistens, Kopien zu besorgen.

"X-Men Wolverine" hatte er schon als Vorpremiere, mittwochs einen Tag vor dem Start.

Auch die anderen erwarteten Blockbuster des Frühjahrs, wie aktuell Star Trek und Illuminati, Terminator 4 und Transfomers 2, sind in Wolfen vom Bundesstart an zu sehen. Das sei nicht immer leicht, denn die Verleiher erwarten hohe Besucherzahlen, damit sich eine Kopie auch rentiere.

Aber Waltenberger ist schon lange im Geschäft, und gute Kontakte zu den Verleihfirmen helfen ihm ein wenig. Auch die Verleiher arbeiten sehr konservativ, viel laufe da über Vertrauen, meint er. "Mit Disney klappt es meist nicht so gut, die starten in jüngster Zeit mit sehr wenigen Filmkopien", und das Wolfener Kino muss oft lange warten, bis eine "frei gewordene Kopie" gezeigt werden kann, berichtet er.

Als nächster Film läuft "The fast and the Fourious" im kleinen Saal. Auch hier muss Waltenberger alles vorbereiten. Nachdem er den Besuchern die Karten, Getränke und Popcorn verkauft hat, geht er den Film starten, kontrolliert kurz den korrekten Start und kehrt schnell zum Eingang zurück, vielleicht kommen noch Nachzügler, die sich dann kurz gedulden müssen. "Manchmal ist es schwierig alles genau einzutakten." Er arbeitet schließlich als Ein-Mann-Show.

Zusätzlich muss er auch noch auf die Kunden der integrierten Videothek achten, auch die müssen sich gelegentlich kurz gedulden, wenn Waltenberger gerade einen Film starten oder vorbereiten muss. "Zwischendurch habe ich meistens viel Zeit, aber wenn ein Film startet, ist es oft hektisch", erzählt er. Auf die Frage, welche Filme er selbst am liebsten zeige, antwortet er mit einem Lächeln "solche wie ,Titanic'". Selbst habe er sich den Film zwar nie angesehen, aber der Film sei unglaublich erfolgreich gelaufen - auch in Wolfen.

Vor Waltenbergers Zeit als Kinobetreiber hatte man in Wolfen auch Programmkino im "Arthouse-Stil" versucht, aber die Resonanz sei zu gering gewesen. "Das Publikum für Programmkino ist nicht zahlreich genug hier in Bitterfeld-Wolfen", sagt Waltenberger. Viele Filme sehe er sich selbst schön, wenn er sie vorführt, aber manchmal begeistere ihn ein Film auch sofort richtig, die "Herr der Ringe"-Trilogie zum Beispiel. Während die Filme laufen, nutzt der Kinobetreiber die Zeit und entwirft das Programm der nächsten Wochen. Zur Recherche nutzt er fast ausschließlich das Internet, das geht auch kaum anders, denn schließlich muss er ja im Kino sein, an sieben Tagen in der Woche. "Das ist schon in Ordnung so", sagt er über seine Arbeitszeiten, es sei nur manchmal schade, dass er nichts unternehmen könne. Lediglich zu den Filmmessen im Frühjahr und Herbst fährt er nach München und Düsseldorf, um sich zu informieren.

Für den Montag nimmt er den aktuellen Wunschfilm ins Programm. Interessenten können im Internet und im Kino abstimmen, und dann wird der Sieger am Montag um 18 Uhr im Kino zu sehen sein. "Abstimmungsergebnisse hat man immer, aber oft kommt dann niemand ins Kino", erzählt Waltenberger. Wahrscheinlich nimmt er diese Idee deshalb bald wieder aus dem Programm. "Kino ist eben immer auch Abstimmung mit den Füßen, wo die Leute nicht hingehen, ist kein Kino", meint Waltenberger recht abgeklärt.