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Faszination der wilden Linien Dorfkirche Altjeßnitz feiert drei modern gestaltete Fenster des Künstlers Bastian Muhr

Von Frank Czerwonn 11.10.2021, 14:03
Mit einem Festgottesdienst werden die Fenster eingeweiht.
Mit einem Festgottesdienst werden die Fenster eingeweiht. Fotos: Frank Czerwonn

Altjessnitz/MZ - Es war ein langes Warten. Schon vor einem Jahr wurden die drei Fenster, die der Leipziger Bastian Muhr gestaltet hat, in der Dorfkirche im Barockgarten Altjeßnitz eingebaut - bei regnerisch-grauem Wetter. Erst vergangenen Samstagmorgen konnten sie - wegen Corona - mit einem Freiluft-Festgottesdienst eingeweiht werden, bei dem Sonnenstrahlen durch das grün-gelbe Blätterdach funkelten. Das Warten hat sich gelohnt.

Die um 1200 entstandene Feldsteinkirche hat drei Fenster bekommen, die modern und dennoch wie aus der Zeit gefallen sind. „Alt und Neu treffen sich hier“, eröffnet Pfarrerin Ina Killyen den Gottesdienst zu Klängen des Raguhner Posaunenchores. Wenn sie vom Heiligen Geist spricht, der „uns mit Mut und Fantasie, mit Freude und Hoffnung auf ein gutes Morgen erfüllt“, beschreibt sie zugleich die faszinierende Wirkung der Muhrschen Glasfenster. Die kommen mit ihren auf jede Farbigkeit verzichtenden Linien und Zackenmotiven aus Bleistegen scheinbar einfach und doch verwirrend und erstaunlich daher. Aber welcher Sinn verbirgt sich in diesem abstrakten Geflecht und was hat das mit Glauben und Kirche zu tun?

Sonne und Natur bringen Farbspiele.
Sonne und Natur bringen Farbspiele.
Foto: Frank Czerwonn

In ihrem gemeinsam gestalteten Gottesdienst werfen sich die stellvertretende Kreisoberpfarrerin des Kirchenkreises Dessau, Barbara Elze, und Pfarrerin Ina Killyen Erklärungen und anregende Inspirationen wie Pingpongbälle zu. Vom weitergeführten Muster der Feldsteine ist die Rede, von Vergleichen mit spitzen Kirchtürmen, die sich liegend, stürzend oder gen Himmel strebend übereinander schieben. Oder auch von verbalen Spitzen, die einem weh tun oder die man selber austeilt. „Doch auch Glaube kann wehtun, wenn ich den geschützten Raum der Kirche verlasse und unter den Menschen Stellung nehme“, meint Elze.

Bastian Muhr gestaltete die Fenster der Kirche Altjeßnitz.
Bastian Muhr gestaltete die Fenster der Kirche Altjeßnitz.
Frank Czerwonn

Selbst das markante Zackenband, das die romanische Wandmalerei mit Christus als Weltenherrscher in der Kirche umgibt, könne man in den Fenstern wiederfinden. Die Muster wirkten einfach. „Aber steckt in den simplen Dingen nicht oft Großes?“, fragt Killyen. Die doppelte Verglasung der Fenster, zu denen noch ein viertes kommen soll, schaffe durch die übereinanderliegenden Doppelstrukturen zusätzlichen Reiz, findet Elze. Und zieht eine Verbindung zu „Doppeldeutigkeiten im Leben und in mir selbst“. Durchschimmernde Bäume und der Himmel bringen von Innen betrachtet sogar Farbe ins Spiel.

Bastian Muhr freut sich über solche Überlegungen, will aber seine Gestaltung keineswegs erklären. „Für mich ist interessant, dass die Fenster da sind, jeder seine Bedeutung darin finden kann und nicht einfach eine Interpretation festgelegt ist.“ Kunst habe oft eine geistige Seite, die man nicht erklären könne, sondern die sich in Gefühlen ausdrücke. Hier komme sie mit dem Glauben zusammen. Selbst für ihn bergen die Fenster Überraschungen. Denn seine Entwürfe seien nur der Beginn des künstlerischen Prozesses.

 Muhr arbeitet mit Linien und Formen.
Muhr arbeitet mit Linien und Formen.
Frank Czerwonn

Die Glasauswahl mit den Experten der Glaswerkstatt Derix in Taunusstein, die den vor allem grafisch arbeitenden 40-Jährigen erst auf den Gedanken gebracht hatten, sich dem Glas zuzuwenden, die spannenden Diskussionen mit der Kirchengemeinde, das Zusammenfügen der Glasteile und schließlich die Wirkung der Fenster direkt in der Kirche - all das gehöre dazu. „Erst hier erlebe ich meine Arbeiten wirklich.“

Debatten über die Fenster, die im Projekt „Lichtungen“ der Evangelischen Landeskirche Anhalts entstanden, seien ausdrücklich erwünscht. „Diese Fenster ziehen Menschen ins Gespräch“, sagt Elze. „Mögen es viele sein.“