1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Bitterfeld-Wolfen
  6. >
  7. Döbern: Döbern: Erinnerungen kontra Bagger

Döbern Döbern: Erinnerungen kontra Bagger

Von Brigitte Mittelsdorf 10.05.2002, 17:20

Bitterfeld/MZ. - Es ist so ein Ding mit der Erinnerung. Sie lässt sich nicht ganz und gar verbannen und manchmal, da bedrängt sie regelrecht. So muss es Annelies Weigert gegangen sein, als sie sich entschloss, das Buch "Döbern - das Dorf an der Mulde" zu schreiben. Denn die Bilder im Kopf wollten nicht verschwinden. Kamen an ungelegenen Orten, zu ungelegener Zeit: die Getreidefelder, in der die Kornmuhme hauste, der stille Friedhof inmitten des Dorfes. Gesichter, Geschichten.

Als 1985 die Bagger kamen und aus lebendiger Landschaft eine ganz andere machten, gab es Döbern nicht mehr. Doch die Erinnerung daran blieb und auch der Schmerz, dass Heimat nur noch im Kopf existieren sollte. "Das Buch", sagt Annelies Weigert, "entstand aus eigenem Wunsch und eigener Kraft heraus. Denn in Döbern sind meine Wurzeln." Die Ingenieurin, die selbst "in der Kohle" (LMVB) arbeitete und heute verantwortlich ist für Öffentlichkeitsarbeit, konnte sich nicht damit abfinden, dass der Kindheitsort so nach und nach aus dem Gedächtnis der hier Lebenden verschwinden sollte. "Ich wollte nicht nur die schönen Erinnerungen zeigen", sagt sie, "sondern auch die tiefere Geschichte."

Wie tief sie da hinabsteigen musste in vergangene Jahrhunderte, wurde ihr erst bei der Recherche bewusst. Eineinhalb Jahre drang sie in historische Schichten vor, ging in Archive, der Vater übersetzte altdeutsche Schriften. Sie entdeckte bronzezeitliche Urnengräber und Sagen wie die von der Sumpfburg - tapfer unterstützt durch ihren Ehemann.

Mit der Publikation liegt nun ein Buch vor, das in den Händen zu halten Freude bereitet. Nicht nur, dass Annelies Weigert in der Leipziger Druckerei Fritsch einen guten Partner fand, wer das Buch zu lesen beginnt, wird es nicht mehr aus der Hand legen. Und dies wird nicht nur jenen so gehen, die dereinst in Döbern lebten.

Das Faszinierende auch für Außenstehende ist, dass da plötzlich ein Dorf wiederaufersteht, das zuvor nur ein nichts sagender Fleck auf der Landkarte gewesen ist. Da sind die Häuser, die Fotos von Schuleinführungen, von Unwetterkatastrophen, Namen mit ihren Schicksalen dahinter. Die Döbener werden auf Bekanntes und Geliebtes treffen, die Nicht-Döbener etwas wiederfinden, was sie vielleicht zuvor nicht vermissten, aber nun nicht wieder hergeben werden - ein Stück Heimatgeschichte. Wie sagte Margitta Beck vom Fritsch Druck: "Bei der Arbeit am Buch ist mir zum ersten Mal bewusst geworden, dass hier, wo die Kohle war, auch Menschen lebten."

Die Publikation gibt es im Kreismuseum, in der Buchhandlung Kromer und in der "Alten Schule" im Buchdorf für 22,59 Euro.