Die Leute ernst nehmen Die Leute ernst nehmen: Wolfenerin ist ehrenamtliche Demenzbetreuerin

Wolfen - Eine wahre Blütenpracht, dieser Garten! Gudrun Speldrich freut sich über das kleine Paradies. „Das ist das Hobby von meinem Mann“, sagt sie fröhlich und zeigt in die Runde. Und Ferienkind Alina spielt am kleinen Teich. So mag sie es. Wenn sie Zeit hat.
Und die hat sie nicht immer. Denn Gudrun Speldrich ist viel unterwegs - für andere. Sie ist Altershelferin und Demenzbetreuerin. Im Ehrenamt. Hilfebedürftigen zur Seite stehen, das war schon immer ihr Ding. So hat sie auch ihren Beruf gewählt. Gudrun Speldrich ist medizinisch-technische Fachassistentin. Viele Jahre war das biologische Institut der Farbenfabrik, später die Kinderambulanz in Wolfen-Nord ihr Arbeitsort.
In der Zeit, wo Betriebe Jobs und Jobs flöten gingen, musste sie sich neu orientieren. Kurzentschlossen setzte sie sich noch mal auf die Schulbank. Und erlebte dann als Sozialpädagogin beim Paritätischen Wohlfahrtsverband Sachsen-Anhalt eine ganz neue, hier relativ unbekannte Welt - die, derer, die irgendwann gescheitert sind. Weil sie ohne Job aus der Bahn geworfen waren, weil sie dem neuen Tempo nicht standhalten konnten, weil sie seelisch krank waren oder auch, weil der Alkohol stärker war als sie selbst.
Am 15. Dezember 1994 zog der erste Obdachlose in die neue Unterkunft in Wolfen ein
„Schon bei der Bewerbung wurde ich gefragt: Trauen sie sich zu, eine Obdachlosenunterkunft aufzubauen“, blickt sie zurück. „Was sagt man, wenn man Arbeit haben will?“ Das wird sie nie vergessen: Am 15. Dezember 1994 zog der erste Obdachlose in die neue Unterkunft ein. Das Asyl, einfache Räume mit zwölf Plätzen in der Anhaltsiedlung, war recht schnell voll. 20 Jahre war die Betreuung und Unterstützung dieser Menschen ihre Aufgabe als Leiterin verschiedener Einrichtungen - erst in der Bitterfelder Anhaltsiedlung, dann in der Dürener Straße, später in der Holzweißiger Straße.
Eine, die sie mit dem Herzen ausgefüllt hat. Gudrun Speldrich ist gut klargekommen mit den Betroffenen. Und sie mit ihr. Das liegt wohl an ihrer Art, mit Menschen umzugehen. Und da hielt sie auch mit Kritik nicht hinterm Berg, wenn Bürokratie überhand nahm und in ihren Augen die Arbeit auf diesem Sektor manchmal unprofessionell organisiert war.
Ihre Erfahrung, die ihr Zugang zu den Leuten verschafft, lässt sich schnell zusammenfassen: „Man darf niemanden abwerten, sondern muss die Leute aufschließen, ihre Stärken rauskitzeln, sie mit Aufgaben einbeziehen. Ich habe viele Lebensgeschichten gehört. Die möchte man nicht selber haben. Es muss keiner auf der Straße liegen, es gibt jede Menge Hilfsangebote. Klar, die muss man auch wollen.“
Mit dem Ruhestand ist Gudrun Speldrich ihrer Berufung treu geblieben
Mit dem Ruhestand ist Gudrun Speldrich sich treu geblieben und ihrer Berufung. „Ich musste noch was machen“, meint sie. Sie hat sich umgehört und das Angebot, das sie im Mehrgenerationenhaus fand, angenommen. Speziell für die Demenzbetreuung hat sie sogar noch einen Lehrgang absolviert und erneuert ihr theoretisches Wissen Jahr für Jahr.
In der Praxis begleitet sie Betroffene - so sie es wollen - zum Arzt, zu Behörden, zum Einkaufen etc. Und sie gibt ihnen durch ihr Dasein und Zuhören ein gutes Gefühl, eine Ahnung von Verlässlichkeit und etwas Zuversicht. Als einer ihrer einstigen Klienten aus dem Asyl, der jetzt in einer eigenen Wohnung lebt, sie bat, seine gerichtlich bestellte Betreuerin zu sein, war das für sie eine ganz besonderer Moment: Ja, sie hat Spuren hinterlassen - darüber freut sie sich. (mz)