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Die Erinnerung ist heute noch lebendig

30.12.2008, 16:16

BITTERFELD/MZ/CKR. - Damals mussten er und mit ihm rund 2 000 Menschen ihr Heimatdorf Niemegk unfreiwillig verlassen. Der Ort wurde überbaggert. Er verschwand zugunsten des immer weiter wachsenden Braunkohle-Tagebaus wie die Dörfer Döbern, Paupitzsch, Zöckeritz, Seelhausen sowie ein Teil von Petersroda von der Landkarte.

Doch die Erinnerung ist wach geblieben - bei Truckenbrodt genau so wie bei vielen anderen ehemaligen Bewohnern der verschwundenen Orte.

Häuser, Straßen, Friedhöfe, Felder, Auen, die Kirchen - gingen verloren. Diese einst so lebendige Landschaft war plötzlich eine andere, eine, in der Bagger quietschten und Kohlezüge über die Gleise ratterten. Auch das ist Geschichte und Erinnerung. Eine neue Landschaft, die auch ein neues Lebensgefühl erzeugt hat, ist entstanden. "Die ehemaligen Niemegker und Döberner Bürger sind sehr erfreut, dass nach Abschluss der Kohleförderung aus dieser einstigen Kraterlandschaft mit dem Projekt ,Kulturlandschaft Goitzsche' ein herrliches Erholungsgebiet entstanden ist", sagt Horst Truckenbrodt. "Die damalige Vision von einer Seenlandschaft mit blinkenden Segeln war für uns nicht wirklich vorstellbar und lag auch in weiter Ferne. Dass alles aber so schnell Wirklichkeit wurde und wir heute das Erholungsgebiet direkt vor unserer Haustür genießen können, entschädigt uns etwas für unsere zwangsweise Umsiedlung."

Die Hoffnung der betreffenden Menschen sei es, so Truckenbrodt, dass die Erinnerungen an all das, was einst war, nicht verblassen. Bürger wie er oder Annelies Weigert, Vereine, die Kirchgemeinden und viele andere Menschen sorgen seit vielen Jahren dafür, dass sie wach bleibt. Dafür stehen zum Beispiel Gedenksteine in der Goitzsche, Straßennamen und Bezeichnungen am Goitzschesee, Namen der Tagebaurestlöcher, Fotografien und Zeichnungen, Bücher und Dokumentationen, Treffen der früheren Nachbarn und gemeinsame Feste und vieles mehr.

Auch die geretteten Kirchenschätze gehören dazu. So hat beispielsweise der restaurierte Schnitzaltar, der einst in der Niemegker Kirche stand, in der Wolfener Johanneskirche seinen Platz gefunden. Im Vorraum der Bitterfelder Stadtkirche steht die Niemegker Kanzel. Auch die Glocken sind erhalten - sie rufen heute im Kirchturm von Halle-Büschdorf die Christen zur Andacht. Zuvor läuteten sie in der Kirche von Golpa. Als auch dieser Ort der Kohle weichen musste und das Gotteshaus geschliffen wurde, sind sie nach Halle gekommen.

2003 haben zudem Uwe und Renate Schuppan eine Foto-Dokumentation herausgebracht. Viele Bürger, die einst in Niemegk gelebt haben, haben Fotos zur Verfügung gestellt, Episoden aus ihrem Leben in dem einst verträumten Dörfchen erzählt. Damit ist nicht nur ein Schatz zusammengetragen worden, damit ist Niemegk fast lückenlos aus all den Bildern und Erinnerungen wiederentstanden.