Der Kumpel Der Kumpel: Bitterfelder Bergmann Gerhard Liehmann wird 90 Jahre alt

Bitterfeld - Von Bergmann zu Bergmann. Heinz Stephan serviert das Tzscherperfrühstück. Kumpel unter sich im „Volkswohl“ in Bitterfeld. Mett, Zwiebeln, Gurke, Harzer ... Dazu Grubenfusel - original. Es gibt ihn noch, den hochprozentigen Bergmannstropfen. 66 Prozent. Der darf nicht fehlen, wenn einer von ihnen Geburtstag hat. Nicht irgendeinen. Neun Jahrzehnte - darauf, ein „Glück auf!“
Gerhard Liehmann ist 90. Der Ehrenvorsitzende des Traditionsvereins der Bitterfelder Bergleute trägt sein Ehrenkleid. Zu Recht. Auch dem Anlass entsprechend. Das Goldene Buch der Stadt Bitterfeld-Wolfen ist aufgeschlagen. Liehmanns Unterschrift ist die 39. - nach Einträgen wie von Bundeskanzlerin Angela Merkel oder Künstlerin Christa Rötting.
„Bergleute müssen zusammenstehen, so lange sie es können“
„Warum ich?“ Liehmann, „er ist ein Initiator“, sagt Bitterfeld-Wolfens Oberbürgermeister Armin Schenk. Traditionsverein und Bergmannsorchester hauchte er Leben ein. Und Liehmann ist Kumpel im Herzen. Er begann als Maschinist und nahm Abschied als Produktionsdirektor. Seine Stimme hatte Gewicht, erzählen die Kumpels. Und meinen nicht nur die Stellung im Kombinat, sondern den Ton zwischen den Zeilen - der rau, manchmal laut, lauter, aber auch herzlich war.
Ob das stimmt? Angelika Grumbach war 18 Jahre lang Liehmanns Sekretärin, sie müsste es wissen. Der Jubilar nennt sie heute noch liebevoll „die graue Eminenz“. Angelika Grumbach schweigt eisern und lächelt. „Dazu sage ich nichts.“ Alles bleibt Vertrauenssache. Auch heute noch.
„Bergleute müssen zusammenstehen, so lange sie es können“, sagt Liehmann. Und sein Ton wird nachdenklicher: „Wir Bergleute sind schuld an verunreinigter Luft, an der Umweltverschmutzung, Schuld auch daran, weite Flächen umzukrempeln“, heißt es. „Keiner fragt: Wer waren denn die Nutznießer?“
Gerhard Liehmann ist immer noch ein Mann der kein Blatt vor den Mund nimm
Liehmann ist immer noch ein Mann des Wortes. Einer, der kein Blatt vor den Mund nimmt. Das wird bleiben, sind sich die Kumpel ganz sicher. So kennen sie ihn, den Bitterfelder Fels in der Brandung.
Das Steigerlied klingt nur im Stehen. 180 Jahre Bergbau in der Region haben ihren Platz in den Geschichtsbüchern. Auch Liehmann ist ein Kapitel darin wie etwa 56.000 Bergleute, die einst im mitteldeutschen Raum in Lohn und Brot standen. Sie bleiben Kumpel, auch wenn ihr Arbeitsplatz längst im Wasser liegt. Einmal Bergmann, immer Bergmann! (mz)
