Denkmalruine verfällt Denkmalruine verfällt : Rettet Druck das Bürgermeister-Haus?

bitterfeld - Seit Jahren verfällt das Bürgermeister-Haus in Bitterfeld. Alle Versuche, das unter Denkmalschutz stehende Gebäude in der Burgstraße wieder instand zu setzen, scheiterten. Lediglich Sicherungsmaßnahmen konnte die Stadt den Eigentümern abringen. Doch jetzt soll Bewegung in die traurige Geschichte der auch als Reuter-Haus bezeichneten Ruine kommen.
Ein Antrag der Stadtratsfraktion Pro Wolfen fordert, durch massiven Druck auf die Eigentümer das Haus zu retten. Im Ortschaftsrat sorgte das für heftige Debatten.
Haus soll vor Verfall gerettet werden
Dabei stimmten alle grundsätzlich Wolfens Ortsbürgermeister André Krillwitz (Pro Wolfen) zu, der den Antrag eingebracht hat: „Wenn hier nicht bald etwas geschieht, fällt das Haus irgendwann in sich zusammen“, so Krillwitz. Er sei beim Stadtspaziergang der Verwaltung auf den katastrophalen Zustand aufmerksam geworden. „Ich war erschrocken.“
Nun soll über den Weg des Denkmalschutzes endlich etwas passieren. Als Referenz bringt Krillwitz eines der ruinösen Gebäude an der Kreuzung Thalheimer/Leipziger Straße ins Spiel, das nun saniert werde. Ähnliches sei beim Reuter-Haus möglich.
Der Antrag, über den der Stadtrat abstimmen muss, fordert die konsequente Anwendung des Denkmalschutzgesetzes auf das Haus und das Einwirken der OB auf den Landkreis, dass ein Zwangsvollstreckungsverfahren gegen die Eigentümer eingeleitet wird.
Stadt will Druck auf Eigentümer ausüben
Doch soweit brauche es nach Meinung von Krillwitz nicht zu kommen. „Man muss den Eigentümern klar machen, dass die Kosten, die durch Sicherungs- und Baumaßnahmen angefallen sind, von ihnen getragen werden müssen.“ Und das dürfte aufgrund der langen Zeit eine ganze Menge Geld sein.
Wenn man auf diese Weise Druck auf die Familie ausübe, seien vielleicht ein Verkauf und die anschließende Sanierung möglich. Das alles funktioniere aber nur, wenn sich alle über den Erhalt des Hauses einig seien und eine so genannte Verwendungskonzeption vorhanden sei.
„Warum soll das, was wir in Wolfen geschafft haben, nicht auch Bitterfeld möglich sein“, fragt Krillwitz. Dort seien zumindest jetzt schon Baufahrzeuge angerückt, die Baufreiheit rund um das Haus an der Thalheimer Straße schaffen. Es müsse doch möglich sein, die Eigentümer dazu zu bewegen, ihre Immobilie zu verkaufen.
Angebote einer städtischen Wohnungsgesellschaft hätten vorgelegen. Doch passiert sei nichts. In den vergangenen Jahren wurde lediglich ein Sicherungsgerüst aufgestellt. Zudem wurden Dachziegel an der Vorderseite abgenommen, um das Gewicht zu verringern, dass auf die Fachwerkkonstruktion drücke. Die Dachsicherungsmaßnahmen der Eigentümer dagegen seien mehr schlecht als recht erfolgt - es regne hinein.
Droht langer Verhandlungsmarathon?
Im Ortschaftsrat gab es eine lange Debatte darüber, welchen Weg man einschlagen will und vor allem kann. „Wir brauchen rechtliche Begründungen und auch die finanziellen Auswirkungen, wenn wir Erfolg haben wollen“, meinte Uwe Müller (CDU). Der Antrag sei ihm zu dünn. Klaus Gatter (WLS) dagegen sah den Antrag als Handlungsanweisung an die Verwaltung.
Bitterfelds Ortsbürgermeister Joachim Gülland (Die Linke) steht dem Antrag grundsätzlich zwar positiv gegenüber, sieht aber einen langen Verhandlungsmarathon. Zwar könne man nach Paragraph 9 der Denkmalschutzordnung den Eigentümer verpflichten, sein Haus in Ordnung zu bringen, allein ihm fehle der Glaube daran. Und der Passus der wirtschaftlichen Zumutbarkeit bei solchen Denkmalforderungen wiege schwer. Es gehe um eine enorme Summe. Laut dem vor einigen Jahren angefertigten Gutachten würde allein die Sicherung 175.000 Euro kosten, die Instandsetzung weitere 394.000 Euro. „Und billiger ist es seitdem gewiss nicht geworden“, so Gülland.
Bitterfelds Ortsbürgermeister warnt vor Schnellschuss
Auch für Zwangsmaßnahmen, die der Landkreis durchsetzen müsse, sehe er wenig Spielraum. „Denn im Grundbuch sind keine Lasten eingetragen. Und die vom Landkreis durchgeführten Sicherungsmaßnahmen bezahlen die Eigentümer regelmäßig in kleinen Schritten ab.“
Der Vergleich mit den Wolfener Ruinen funktioniere schon gar nicht, weil es sich dort um Profanbauten, hier aber um ein Denkmal handele. Zudem sei die Frage: „Was mache ich mit dem Gebäude anschließend?“ Deshalb warne er vor einem Schnellschuss und setze auf das Ausloten der Möglichkeiten und Gespräche mit Kreis und Eigentümern.
Dagmar Zoschke (Die Linke) hielt ihm entgegen, diese Argumente kenne man alle schon seit Jahren. Der Antrag sei aber seit langem der konkreteste Vorschlag zur Rettung. Und Werner Rauball (Die Linke) ergänzte, der Zustand des Reuter-Hauses sei so beklagenswert, dass man nicht mehr abwarten könne. „Mit vorsichtigem Herantasten übersteht das Haus den nächsten Winter nicht.“
Das Reuter-Haus wurde 1596 erbaut. Dort hat im 16. Jahrhundert der ehemalige Bürgermeister der Stadt Bitterfeld, Conradus Reuter, gelebt.
Laut einer Stadtchronik war er „ein feiner Mann, gelehrt und ein guter Historiens gewest“. Reuter wurde 1554 in Wittenberg geboren, sein Vater war ein angesehener Protestant und zweiter Vormund von Luthers Kindern.
Reuter lenkte 35 Jahre lang die Geschicke der Stadt. Die Chronik beschreibt ihn als „ehrenwerten, achtbaren, wohlgelehrten und wohlweisen Herrn“.
Interessant war, das Peter Arning, Fachbereichsleiter Bauwesen der Stadt, sagte: „Es gibt aus rein bauordnungsrechtlicher Sicht aktuell keinen Anlass, tätig zu werden.“ Dennoch sei es richtig, das Thema aufzugreifen. Und es gebe durchaus Interessenten für das Haus.
Zoschke brachte schließlich einen erweiterten Antrag ins Spiel. Demnach soll die OB beauftragt werden, „alle rechtlichen Schritte einzuleiten, um dem historischen Bauwerk und einer möglichen öffentlichen Nutzung gerecht zu werden und näher zu kommen. “ Das damit als Wort getilgte Zwangsvollstreckungsverfahren sah Zoschke in ihrer Formulierung mit eingeschlossen. Diesem Antrag stimmten schließlich 13 Ortschaftsräte zu, René Vollmann (AfD) enthielt sich. (mz)
