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Traditionstreff muss schließen Das Quartierbüro in Bitterfeld steht nach zwölf Jahren vor dem Aus

Trägerverein „biworegio“ kann Traditionstreff im Zentrum Bitterfelds nicht mehr stemmen. Schock sitzt tief. Was wird aus den Gruppen und Veranstaltungen?

Von Frank Czerwonn 24.11.2021, 11:45
Noch herrscht viel Betrieb im Stricktreff des Quartierbüros. Nun müssen aber auch die Frauen nach einer neuen Bleibe suchen.
Noch herrscht viel Betrieb im Stricktreff des Quartierbüros. Nun müssen aber auch die Frauen nach einer neuen Bleibe suchen. (Foto: André Kehrer)

Bitterfeld/MZ - Der Nikolaus bringt in diesem Jahr im Bitterfelder Familien- und Quartierbüro keine Geschenke, sondern das unerwartete Aus für den Freizeittreff im Stadtzentrum. Der 6. Dezember wird der letzte Öffnungstag sein. „Wir müssen das Familien- und Quartierbüro leider nach zwölf Jahren schließen“, teilt Quartiersmanagerin Melanie Kerz mit. Den Mietvertrag mit der Neubi, die stets sehr entgegenkommend gewesen sei, habe der Trägerverein biworegio zum Jahresende gekündigt.

Die Nachricht kommt für die dort ansässigen Gruppen und Besucher aus heiterem Himmel. Doch laut Kerz ging der Entscheidung ein langes Ringen voraus, das schon vor Corona begonnen habe. „Es fiel immer schwerer, ohne zusätzliche Unterstützung und Partner das Quartierbüro personell zu besetzen und den Betrieb aufrecht zu erhalten.“

Die Besucherzahlen seien im Vergleich zu 2019 auf ein Drittel eingebrochen

So wurden die Öffnungszeiten von fünf auf vier Tage reduziert. Zudem habe man das Angebot nur mit Hilfe von Ehrenamtlichen erhalten können. Finanziert wurden die Angebote des Büros, das ab 2012 die Arbeit der 2009 entstandenen Anlaufstelle für „Engagementlotsen“ fortsetzte, vor allem über Fördermittel für Einzelprojekte, Brauchtumsmittel des Ortschaftsrates, die Unterstützung der Neubi und den Träger biworegio mit Mitgliedern wie WSG, WBG oder den Stadtwerken. „Das Quartierbüro läuft auf schmalem Rahmen“, fasst Kerz zusammen.

Die Pandemie mit den Lockdowns, durch die der Treff in der Burgstraße Mitte März 2020 erstmals hatte schließen müssen, habe die Situation weiter verschärft. Als schrittweise wieder geöffnet werden konnte, galten strenge Hygiene- und Abstandsregeln, Gruppen wurden geteilt, Besucherzahlen begrenzt. „Aber auch die Leute selbst waren zurückhaltend“, erinnert sich Kerz. Die Besucherzahlen seien im Vergleich zu 2019 auf ein Drittel eingebrochen. „13 Gäste bei einer Lesung sind für alle unbefriedigend.“

Das Familien- und Quartierbüro in der Burgstraße in Bitterfeld
Das Familien- und Quartierbüro in der Burgstraße in Bitterfeld
(Foto: Kehrer)

Für die Gruppen, die dort seit Jahren eine Heimstatt haben, ist das ebenso eine Hiobsbotschaft wie für viele Besucher

Dann kam im November 2020 der nächste Lockdown. Erst im Frühjahr ging es weiter. Derzeit gilt 3G. Während all dieser Monate habe man überlegt, wie es weitergehen könnte - zumal eine Lockerung angesichts der vierten Welle nicht absehbar sei. Die Entscheidung habe man lange herausgezögert. Doch habe man einsehen müssen, „dass wir die Ansprüche, die wir auch selber haben, nicht mehr erfüllen können“, erklärt Kerz die Entscheidung.

Für die Gruppen, die dort seit Jahren eine Heimstatt haben, ist das ebenso eine Hiobsbotschaft wie für viele Besucher (siehe „Breite Vielfalt ...). „Die Schließung entsetzt uns“, sagt Eva Haun, die den Stricktreff leitet. „Mit so einem Schlag haben wir nicht gerechnet.“ Dabei würde es die Gruppe strickender Frauen, die sich dort dienstags trifft, ohne das Familienbüro gar nicht geben. 2012 entdeckte Haun dort ein Plakat, auf dem Freiwillige gesucht wurden, die mit ihrer Gruppe oder ihrem Verein einziehen. Haun suchte Gleichgesinnte, aus zwei Frauen wurden bis heute 24.

„Manche wollten nur einen Rat und sind geblieben“

„Manche wollten nur einen Rat und sind geblieben.“ Seitdem stricken sie für viele gute Zwecke: Erst am Dienstag haben sie eine Kiste für die Strickaktion des MDR gepackt, mit denen Bedürftigen geholfen wird. Aber auch das Hospiz Dessau, die Sanitätsschule Köthen und Kitas in Bitterfeld-Wolfen beglücken die Frauen mit ihren tollen Arbeiten. Doch wie geht es weiter? „Wir werden nicht aufgeben, suchen ein neues Domizil“, sagt Haun. Dabei sei jedoch nicht der Raum für die Treffen entscheidend - da gebe es Möglichkeiten. „Aber wir brauchen dauerhaft Platz für unser Material und die Stricksachen. Und das ist ein großes Problem.“

Auch der Friedersdorfer Autor Peter Hoffmann ist überrascht von der bevorstehenden Schließung. „Das ist sehr bedauerlich.“ Er hat dort oft seine neuen Bücher vorgestellt, vor Schulklassen gelesen oder Veranstaltungen mit Hobbyautoren mitorganisiert. „Das war für viele eine einmalige Gelegenheit, ihre Arbeiten vorzustellen.“ Er erinnert an die Gedichte von Ralf Wendel oder die Texte von Rosi Topf. Zudem sei die Lage ideal. Die Leute konnten Einkaufen und Kultur verbinden. „Man fand stets Gleichgesinnte, die Atmosphäre war herzlich.“

Wo sind Alternativ-Orte?

Kerz betont, dass der Verein biworegio trotz der Schließung mit seinen Angeboten nicht aus Bitterfeld verschwinden werde. Auch für die Gruppen suche man Lösungen. So gebe es Gespräche mit der Wohnstättengenossenschaft und ihrem „Hofladen“ im Dichterviertel. Auch das Mehrgenerationenhaus oder das Wasserzentrum könnten vielleicht Alternativen bieten. Selbst das Lutherhaus hätten manche Gruppen im Blick. „Auf jeden Fall wollen wir weiterhin Ansprechpartner bleiben.“