Christian Anders Christian Anders: Zug nach Nirgendwo in Wittenberg
Wittenberg/MZ. - Die Frau ist Mitte vierzig und sie hat ihn erkannt. Ganz nah kommt ihr Gesicht an die Scheibe von Michael Jurks Antiquariat "partes". Drinnen sitzt Christian Anders. Eben hat er den "Zug nach Nirgendwo" einfahren lassen. Nun ruft er: "Kommen sie ruhig rein, ja!" Doch das kann die Frau draußen nicht hören. So bleibt sie, wo sie ist und beschränkt sich auf ein lautloses Lachen.
Es ist Freitag Abend, erster Tag des Wittenberger Stadtfestes. Der Sänger, der sich heute Lanoo nennt, was so viel wie Schüler bedeutet, ist in die Lutherstadt gekommen, um eine Fotoausstellung zu eröffnen. Keine x-beliebige, natürlich nicht. Die Bilder zeigen ihn selbst: Christian Anders, wie er sich auf einer Couch rekelt, wie er die Gitarre spielt, mal mit Brille, mal ohne, die ewigen blonden Engelslocken offen, selten gebändigt durch ein Gummibändchen.
Dann ist da noch das Bild, auf dem er einen Baumstamm umschlungen hält. Für diese Aufnahme konnte der Fotograf, Marko Ziesemer, jetzt einen Preis einheimsen. Darüber freut sich der junge Mann aus Wittenberg natürlich. Wer kann ihm das verdenken. Strahlend, aber auch ein wenig verlegen steht er neben seinem Modell, Herrn Anders. Der liest an diesem Abend auch aus seinem Buch "Der Brief", ehedem für die Jugendzeitschrift "Bravo" geschrieben. Nach fast 30 Jahren hat es jetzt eine zweite Auflage erfahren.
Daran schuld sei eine junge Frau, plaudert der Sänger mit sonorer Stimme. Der Dame ist das Buch wohl abhanden gekommen, lautet die Erklärung. Und dann liest er ein bisschen. Warum er sich ausgerechnet auf jene Passage kapriziert, in der die pubertierende Protagonistin Karin von Latin Lover Franco defloriert wird, bleibt sein Geheimnis. Seinem Publikum, das mitnichten nur aus Frauen besteht, scheint die seichte Verbalerotik jedoch nicht unangenehm. Andächtig wird gelauscht, später mit gesummt, den Zug nach Nirgendwo kennt schließlich jeder, vielleicht auch aus eigener schmerzlicher Erfahrung, und im Grund aber gilt: Schlagermund tut Wahrheit kund.
Dabei hat der Mann, der im schlichten cremefarbenen Anzug zum tête-à-tête in Wittenberg erschienen ist, in das Klischee vom fidelen Schlagerbarden nie wirklich gepasst. Jedenfalls machte er in früheren Jahren vor allem durch einen Lebenswandel Schlagzeilen, mit dem man eher die harten Jungs aus der Rockszene in Verbindung zu bringen pflegte. Von Exzessen ist da in alten Artikeln die Rede, von Luxuskarossen und Trinkgelagen. Und von Frauen, zahlreich. Die eigene Frau, so war vor einem Jahr der Presse zu entnehmen, habe er für eine nicht unbeträchtliche Summe temporär an einen Millionär vermietet.
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Zug nach Nirgendwo in Wittenberg