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Ungewisse Zukunft Chemiepark will leerstehenden Kulturpalast in Bitterfeld los werden

Von Christine Färber 15.05.2017, 06:53
Seit mehreren Jahren verwaist ist der Kulturpalast: Hier, wo einst das Leben tobte, ist nun die Luft raus.
Seit mehreren Jahren verwaist ist der Kulturpalast: Hier, wo einst das Leben tobte, ist nun die Luft raus. André Kehrer

Bitterfeld - Die großen Skulpturen aus Pappmaché sind sicher verpackt für den Transport. Die meisten Bilder haben eine Hülle aus Luftpolsterfolie, damit auch sie die Fahrt unbeschadet überstehen.

Staffelei, Regale, Tische, Stühle, Malzeug, Farbtöpfe  - alles das, was der „Kunstverein Jugendkunstschule Bitterfeld Kreativ“ im Laufe von Jahrzehnten angesammelt hat, muss mit.

Der Verein zieht um. Er ist der letzte, der den Bitterfelder Kulturpalast verlässt. Bis zum Sommer soll das Haus leer sein. So will es der Eigentümer, die Gelsenwasser AG.

Gelsenwasser AG will Kulturpalast loswerden

Das Unternehmen, das mit  dem Kauf des PD-Chemieparks im Jahr 2013 plötzlich auch den Kulturpalast an der Backe hatte, macht nun reinen Tisch. Es will das Haus, das seit zwei Jahren nahezu leer steht, endlich los werden.

„Wir  wollen raus aus der  Eigentümerrolle“, sagt Geschäftsführer Patrice Heine. Rund 200.000 Euro verschlingt das ungenutzte Gebäude pro Jahr  - nicht mitgerechnet die Personalkosten und die Beträge, die fürs Pumpen des  Grundwassers anfallen.

 „Das Landesamt für Altlastenfreistellung, das drei Brunnen für das Haus finanziert, ist  auch nicht mehr bereit, hier Geld auszugeben.“

Gebäude ist schon immer ein Zuschussgeschäft

Die Debatte um die Zukunft des Traditionshauses hat bei Lichte gesehen nichts gebracht als heiße Luft. „Leute mit Ideen gab es. Ja“, sagt Geschäftsführer Michael Polk. „Aber letztlich erwiesen sie sich alle als nicht umsetzbar.“

Wie auch? Das 1954 eröffnete Gebäude zu vermarkten, ist schwer. Und wird umso schwerer, je länger es leer steht. Und: Noch nie hat es sich  wirtschaftlich getragen, seit eh und je ist es ein Zuschussgeschäft. Dennoch: Es  gehört zum Bild von Bitterfeld.

„Und es ist Teil der stolzen Geschichte der Stadt“, sagt Jan Korte (Die Linke), der als Bundestagsabgeordneter „in Berlin die Fühler ausstrecken“ will.

Über 2.000 Unterschriften wurden gesammelt

Viele Bitterfelder wollen das Schlimmste verhindern. Über 2.000 Unterschriften zum Erhalt des Kupa hat der Arbeitslosenhilfeverein gesammelt. Reinhard Waag, der von 1997 bis  2003 Chef des Hauses war, hat als einer der ersten unterschrieben.

„Hier stand der von Konrad Zuse entwickelte Computer, der erste funktionsfähige der Welt“, sagt er. „Hier hat auch Udo Jürgens seine Karriere begonnen. Das alles ist doch was! Man muss sehen, was man mit dem Haus noch machen kann. Bei der Tradition!“

Steht der Kulturpalast vor dem Abriss?

Doch geguckt hat man lange genug, findet Chemiepark-Chef Michael Polk. „Wir werden den Kulturpalast nicht mehr halten. Doch auch mir würde es leidtun, müssten wir den Abrissantrag ausfüllen“, sagt er - auch mit Blick auf die Stadt.

Doch die hatte schon 2003 die Hände gehoben. Damals kam der Unternehmer Jürgen Preiss-Daimler als Retter. Er hat viel Geld investiert - in Sicherheits- und Brandschutztechnik und mehr.

Doch das, was sich in der Kelleretage befindet,  dürfte während des Leerstandes nicht besser geworden sein.

Viele Ideen für das leerstehende Gebäude

Reinhard Waag und Hannelore Finke vom Arbeitslosenhilfeverein geben dennoch nicht auf und  hoffen und erwarten, wenn alle Stricke reißen, dass die Stadt  noch was reißen kann. „Man muss Synergien finden“, so Finke.

Auch die Idee von einem Hotel steht im Raum. Doch dürften die Illusionen schwinden, betrachtet man das Haus unter technisch-wirtschaftlichem Aspekt von innen. Außerdem, wie  Unternehmensberater Dirk Buckesfeld  feststellt:  Zu groß für Kleines, zu klein für Großes.

Kunstverein hat neues Domizil gefunden

Im Juni also wird die Tür endgültig abgeschlossen. Der Kunstverein ist dann in neue Räume gezogen. Emilie Meißner, künstlerische Leiterin, und ihrer Helferin Margitta Zeidler fällt der Abschied schwer.

Sicher, weil so unendlich viel zu erledigen und zu räumen ist. Aber auch, weil  die Räume ideal waren und über 30 Jahre die liebgewordene Heimstatt. „Wir verstehen das nicht“, sagt Emilie Meißner und blickt traurig auf den Kulturpalast in Dresden, der nach Sanierung wieder ein öffentliches Haus ist.

Die  B & A Strukturförderungsgesellschaft Zerbst, die dem Verein seit Jahren hier und da unter die Arme greift, indes hilft, wo sie kann. Gerade haben die Männer zwei Container mit ausrangierten Dingen gefüllt, einer bereitet den Umzug mit vor. Auch der Chemiepark steht nicht abseits.

Er wird für die Renovierung der neuen Räume des Vereins in der Bitterfelder Röhrenstraße sorgen, die die Stadt und die Neubi gefunden haben. (mz)