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Chemie Chemie: Feine Düfte - ausgerechnet aus Bitterfeld

Von Sabine Fuchs 28.11.2011, 07:31
Einen Duft prüft die Mitarbeiterin Delphine Dumas-Mittelberger mit einem Duftstreifen in der Miltitz Aromatics GmbH. (FOTO: DPA)
Einen Duft prüft die Mitarbeiterin Delphine Dumas-Mittelberger mit einem Duftstreifen in der Miltitz Aromatics GmbH. (FOTO: DPA) dpa-Zentralbild

Bitterfeld-Wolfen/dpa. - In der DDR war der ChemiestandortBitterfeld für seinen Gestank berüchtigt - marode Anlagen desriesigen Chemie-Kombinats verpesteten die Luft. Heute ist davonnichts mehr zu spüren. Im Gegenteil: Die Beschäftigten der MiltitzAromatics GmbH Bitterfeld wollen für perfekten Duft sorgen. Daskleine Unternehmen im Chemiepark Bitterfeld-Wolfen (LandkreisAnhalt-Bitterfeld) liefert Duft- und Aromastoffe in fast 30 Länderder Welt. Es ist zugleich ein Exot am Standort, der heute mit rund360 Firmen der Chemie- und Pharmaindustrie laut Branche zu denmodernsten seiner Art in Europa zählt.

Die bei Miltitz Aromatics kreierten Stoffe sind nach Angaben desUnternehmens bei Parfümherstellern und Waschmittelproduzenten ebensogefragt wie in der Lebensmittelindustrie. So steckt heute in manchweltbekanntem Parfüm auch ein Stück Bitterfeld. «Wir stellen etwa 50verschiedene Riech- und Aromastoffe her», sagt Stefan Müller,Mitglied der Geschäftsführung.

Die Firma gehört zu einer kleinen Branche, es gibt nur wenigeHersteller von Aroma und Duftstoffen. Der Deutsche Verband derRiechstoffhersteller hat nach eigenen Angaben etwa 20 Mitglieder.Derzeit produzieren die rund 40 Beschäftigten in Bitterfeld jährlich1000 bis 1200 Tonnen Duft- und Aromastoffe. Aus der dortigenChemieküche kommt zum Beispiel der sogenannte «Ambra»-Riechstoff, einAusscheidungsprodukt von Walen. Doch Müller und sein Team können denStoff nachbauen. Chemische Grundstoffe werden durch Katalysatoren inden Anlagen zusammengesetzt. «Katalysatoren sind das Zaubermittel inder Chemie, die ganz verschiedene Stoffe zusammenbringen können.»

Rund um die Uhr, an 365 Tagen im Jahr, kreieren die BeschäftigtenDüfte. Mit einem Jahresumsatz von elf Millionen Euro in diesem und imvergangenen Jahr hat die Firme eher bescheidene Volumen. Der AnbieterSymrise in Holzminden (Niedersachsen) zum Beispiel erzielte imvergangene Jahr einen Umsatz von 1,57 Milliarden Euro, wie einSprecherin sagte. Doch um die Nase auch angesichts großer Konkurrenzvorne zu haben, setzen die Bitterfelder auf Innovation. «Um ständigneue Düfte anbieten zu können, arbeitet gut ein Fünftel derBelegschaft im Bereich Forschung und Entwicklung», sagt Müller.

«Eine hohe Bedeutung am Markt haben sowohl Klassiker als auch neueKreationen», sagt Martin Ruppmann, Geschäftsführer desKosmetikverbandes Berlin. «Düfte sind neben der dekorativen Kosmetikderzeit die Gewinner in der Kosmetikbranche, sie erleben derzeiteinen Boom.» Dem Verband gehören 50 deutsche Vertriebshäuser von in-und ausländischen Kosmetikproduzenten an. Sie repräsentieren mehr als200 zum Teil weltbekannte Marken und einen Umsatz von zwei MilliardenEuro.

«Düfte erfüllen oft auch ganz simple Zwecke», sagt Bernd Glassl,Bereichsleiter im Industrieverband Körperpflege- und Waschmittel inFrankfurt/Main. «So haben Waschmittel an sich einen unangenehmenEigengeruch. Dieser muss mit Duftstoffen weggezaubert werden.» DieGeschmäcker seien dabei unterschiedlich. Die Deutschen bevorzugtenfrische Düfte, während es im Süden Europas etwas blumiger sein dürfe.

«Riechstoffe aus Pflanzen herzustellen, ist ein langwieriger,aufwendiger Prozess», sagt Müller. «Erst Ende des 19. Jahrhunderts,haben Wissenschaftler festgestellt, dass Düfte auch auf chemischeWege gewissermaßen nachgebaut werden können und Pflanzenblütenverzichtbar sind. Die Produktion in Laboren und Anlagen habe auch denVorteil, dass die Düfte und Aromen von gleichbleibender Qualitätsind.

Das Unternehmen setzt eine alte Tradition fort: Seit 1829produziert die Firma Schimmel in Miltitz bei Leipzig Düfte undAromen. Zu DDR-Zeiten enteignet und an ein Kombinat angegliedert, kamzur Wende fast das Aus. Doch Geschäftsführer Peter Müller, Vater vonStefan Müller, hatte die richtige Nase: Mit seinen Kollegen machte ersich selbstständig und zog nach Bitterfeld, wo es genügend Fachleuteder Chemiebranche gab. Der erste Auftrag kam ausgerechnet ausSüdfrankreich, dem Zentrum der Parfümindustrie.

Marketingchefin Delphine Dumas-Mittelberger mag hochwertige Düfte,doch tragen darf sie die nicht. Denn täglich werden in Bitterfeldhunderte von Duftproben gesetzt, um die Qualität der Erzeugnisse zuprüfen. «Und der Geruchssinn darf nicht verfälscht werden, deshalbtragen wir während der Arbeitszeit kein Parfüm, denn ohne eine guteNase geht hier gar nichts», sagt sie.