Rätsel gelöst? Briefmarken-Rätsel in Bitterfeld: So kam das Bitterfelder Lok-Motiv womöglich nach Nordkorea

Zscherndorf - Wie landete die Lokomotive von einem Bitterfelder Notgeldschein aus dem Jahr 1921 auf einer Briefmarke, die Nordkoreas Post 1980 herausgab?
Dieses Rätsel konnte selbst der Eisenbahn-Fan Günther Klebes aus Erlangen nicht lösen. Der 67-Jährige hatte zufällig entdeckt, dass die Nordkoreaner das alte Bitterfelder Motiv einfach auf ihre Marke gedruckt hatten - natürlich ohne um Erlaubnis zu fragen. Der dreiste Motiv-Diebstahl wurde erst Jahrzehnte später durch Klebes entdeckt. Doch wie kamen die isolierten Asiaten damals an das Motiv?
Erinnerungen an EKB-Zeiten könnten das Rätsel lösen
Ein heißer Tipp zur Lösung dieses Rätsels kommt nun aus Zscherndorf. Dort lebt Helmut Nitzkowski. Bei ihm weckte der MZ-Artikel über das Lok-Motiv plötzlich Erinnerungen an der Frühzeit der DDR.
Ende der 50er Jahre hat Nitzkowski als Schlosser im Elektrochemischen Kombinat Bitterfeld (EKB) gearbeitet. „Ich war da noch nicht mal 20 Jahre alt.“ Und dort lernte er junge Nordkoreaner kennen. „Die wurden 1959 zu Chemiefacharbeitern ausgebildet“, erzählt der heute 75-Jährige. Da sei mindestens eine ganze Klasse gewesen, ein Lernkollektiv, wie es damals hieß.
Ein Nordkoreaner, der an der Uni Leipzig studierte, habe sogar im EKB seine Diplomarbeit geschrieben. Das Lebensniveau in der jungen DDR habe die asiatischen Gäste offenbar schwer beeindruckt. „Der Diplomand war mal bei einem Kollegen zu Hause. Und als er sich dort in einen Sessel setzte, soll er gesagt haben: ,Wie bei einem Minister’.“
Brachten Lehrlinge Lok-Motiv nach Asien?
Nitzkowski selber hatte Kontakt zu zwei Nordkoreanern - Yun Yu und Yang Mo. Mit letzterem habe er sich etwas angefreundet. Als dieser zurück in Nordkorea war, habe er dem Deutschen einen Brief geschrieben und um die Zusendung deutscher Weihnachtskarten gebeten. „Seine Adresse lag auf einem Zettel bei“, so Nitzkowski. Er habe ihm Ende 1959 einen Brief mit fünf, sechs Karten geschickt. „Ob der ankam, weiß ich nicht. Ich habe nie wieder etwas von ihm gehört.“
Doch dass die Nordkoreaner in Bitterfeld viel erlebt haben, das weiß er. „Sicherlich waren sie nicht nur bei Veranstaltungen im neuen Kulturpalast, sondern auch im Kreismuseum. Und dort könnten sie die Notgeldscheine gesehen haben.“ Ob sie vielleicht sogar einen Schein als Freundschaftsgeschenk erhielten, könne er zwar nicht sagen. Aber sei das auszuschließen? Die Bruderfreundschaft zwischen den beiden Staaten war jedoch nicht unverbrüchlich. „Kurze Zeit später wurden alle Nordkoreaner auf einen Schlag zurückgerufen. Und es kamen nie wieder welche.“ (mz)
