Bitterfeld Bitterfeld: Ehemalige Dezernentin freut sich auf Ruhestand
Bitterfeld/MZ. - Daran erinnert sie sich noch genau. Vielleicht deshalb, weil das heute unglaublich scheint: Als in Bitterfeld das erste Mal Sozialhilfe ausgezahlt wurde, waren das 500 D-Mark. Für einen ganzen Monat in einer ganzen Stadt - das können nicht viele Empfänger gewesen sein.
"Viele gab es damals auch noch nicht", weiß Claudia Vogel. Im Jahr 1990 war das, sie hatte ihre Arbeit als Sozialdezernentin in der damaligen Kreisstadt gerade angetreten. "Da wusste ich noch gar nicht so richtig, was alles auf mich zukommen wird." Eines aber wusste sie genau: Dass sie sich beruflich weiter auf sozialer Ebene einbringen und alles dafür geben will, um anderen Menschen zu helfen. Sonst hätte sie diesen verantwortungsvollen Posten kaum angenommen.
Manche Träne ist geflossen
Bereut hat sie es nicht - im Gegenteil. Das kann sie nach 17 Jahren als Sozialamtschefin und weiteren reichlich fünf Jahren als Geschäftsbereichsleiterin Ordnung und Bürger in der großen Stadt Bitterfeld-Wolfen mit gutem Gewissen sagen. Dass ihre Arbeit viel Anerkennung fand, bekam die 61-Jährige nun auch bei ihrer Verabschiedung bestätigt, wo so manche Träne floss. Die erste Woche im Ruhestand, in den sie auf Basis der Altersteilzeit ging, hat sie nämlich jetzt schon hinter sich.
Dass die gelernte Krippenerzieherin über leitende Tätigkeiten in jenem Bereich überhaupt den Sprung ins Rathaus wagte, ging recht schnell. Nach der ersten Bürgermeisterwahl wurde sie vom frisch gebackenen Stadtoberhaupt Edelgard Kauf gefragt, ob sie nicht Personalchefin in der neuen Verwaltung werden wolle. Man kannte sich, die Bürgermeisterin wusste von den Erfahrungen Claudia Vogels als Personalleiterin.
Immer füreinander da
"Doch ich wollte weiter im sozialen Bereich tätig sein, das war ich von Anfang an. Auch zu Hause schon waren wir sehr sozial eingestellt, immer füreinander da - was bis heute so geblieben ist." Und so kam es, dass der neue Stadtrat sie zur Dezernentin für Soziales berief.
In ihrem Verantwortungsbereich lagen anfangs das Sozialamt sowie die Krippen und Kindergärten, die sich damals alle noch in Trägerschaft der Stadt befanden. Neu war jedoch nicht nur ihr Job, sondern eigentlich alles - schließlich befand man sich im ersten Jahr nach der politischen Wende im Land, das gerade einen kompletten Umbruch vollzog. Im Bereich des Sozialamtes war der natürlich besonders krass: Arbeitsplätze brachen zu Hunderten weg, "die Zahl der Sozialhilfeempfänger stieg rasant". Mit der Wiedervereinigung traten neue Gesetze in Kraft, alles veränderte sich. Vor allem musste viel gelernt werden.
"Große Hilfe bekamen wir von unserer Partnerstadt Marl", erinnert sich Claudia Vogel gern an diese Zeit - obwohl sie nicht leicht und mit einem riesigen Arbeitspensums verbunden war. Vom Marler Sozialamt kamen Angestellte zu den Bitterfeldern, um ihnen die ersten Schritte beizubringen, Formulare und die gesamte Bürokratie zu erläutern. "Wir waren dann später auch in Marl, das alles hat sehr über die ersten großen Schwierigkeiten hinweg geholfen." Fachwissen ersetzen konnte das natürlich nicht, und so fand sich auch die Dezernentin bald auf der Schulbank wieder - absolvierte die Verwaltungslehrgänge für den gehobenen Dienst.
Die wiederum vermitteln aber nicht unbedingt, wie man mit schwierigen Situationen umgeht und vor allem mit den Menschen - mit Leuten unterschiedlichster Art: Da sind enttäuschte Kindergärtnerinnen und aufgebrachte Eltern, weil eine Einrichtung geschlossen werden muss. Da fühlen sich Sozialhilfeempfänger ungerecht behandelt. Und da sind die Mitarbeiter, für die man verantwortlich ist und die motiviert werden wollen.
Claudia Vogel hatte wohl noch nie ein Problem, die richtigen Worte zu finden, weil sie eine Maxime lebt: "Es geht nur miteinander und mit gegenseitiger Achtung voreinander." Reden müsse man vor allem, Respekt haben vor dem anderen. Doch das Wichtigste sei in jedem Fall das Team: "Ohne seine Mitarbeiter ist man als Leiter nichts, und ein Chef macht auch nicht immer alles richtig. Aber wenn man darüber redet, können Probleme meist schnell aus dem Weg geräumt werden."
Ihr erster Gang am Morgen führte sie deshalb immer zu ihren Leuten. Ein "Guten Morgen" und ein "Wie geht's, wo drückt der Schuh" vermitteln nicht nur das Gefühl der Akzeptanz, sondern schaffen vor allem ein kollegiales und kameradschaftliches Arbeitsklima. Und das nicht nur intern. Als zu Claudia Vogels Dezernat noch Kultur, Sport und Bildung hinzukamen, ging sie ebenso mit den Vereinen und Schulen um.
Vor Ort sozial gestalten
Welche Entwicklung sich gerade im sozialen Bereich vollziehen würde, war bald abzusehen, sagt sie. "Doch gerade das war die Herausforderung. Unser Ziel war, das Ganze bestmöglich zu meistern und vor Ort sozial zu gestalten, auch wenn die Gesetze dabei oft Grenzen setzen."
Ebenfalls als Herausforderung sah sie den Wechsel zum Bereich Ordnung und Bürger, wo sie durch die Umstrukturierung aufgrund der Gründung der Stadt Bitterfeld-Wolfen ab Juli 2007 Geschäftsbereichsleiterin wurde. "Obwohl es mir schon nicht ganz leicht fiel, mein altes Team zu verlassen." Und auch das Aufgabengebiet war ja ein völlig neues - mit Verantwortung für die allgemeine Ordnung, für Meldestelle und Standesamt sowie den gesamten Bereich der Feuerwehr. Doch auch hier hat sich die neue Chefin schnell eingefuchst, wie der emotionale Abschied bestätigte - wiederum dank ihrer Mitarbeiter. Denn auch auf das neue Team konnte sie sich hundertprozentig verlassen, wie sie schwört.
Ruhephase und viel Freizeit
Insgesamt aber, so betont die jetzt "hauptamtliche" Ehefrau, Mutter und Oma, freue sie sich auf die Jahre, die jetzt kommen. Auf die Ruhephase, auf viel Freizeit - gemeinsam mit Mann Günter. Sie haben eine gemütliche Wohnung, ab Frühjahr geht es wieder raus in den Schrebergarten. Wo Blumen blühen und Gemüse wächst und eine schöne Laube mit Terrasse zum Verweilen einlädt.
Bei Letzterem konnte man Claudia Vogel allerdings bisher recht selten antreffen. Das soll sich nun ändern. "Unseren Garten werde ich wohl das erste Mal auch anders erleben - nämlich nicht nur bei der Arbeit, sondern auch mal darin relaxen." Außerdem verreisen sie und ihr Mann gern, die nächste Tour gen Süden ist schon für Dezember geplant. Und da ist ja auch noch die Familie: der Vater, die Geschwister, die Kinder vor allem. Beatrix hat selbst eine Familie mit drei Kindern, Andreas ist noch solo - helfen will die Mutter allen. Schon immer. Weil sie ein unruhiger Geist ist und nur schwer abschalten kann, wie sie sagt. "Das muss ich erst noch lernen."