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Bauernproteste in Berlin Bauernproteste in Berlin: Raguhner Unternehmer hilft spontan Landwirten aus Erzgebirge

Von Tim Fuhse 14.12.2019, 11:00
Der Raguhner Traktor, mit dem die Landwirte aus dem Erzgebirge zur Demo gefahren sind, auf dem Gelände von Worch Landtechnik.
Der Raguhner Traktor, mit dem die Landwirte aus dem Erzgebirge zur Demo gefahren sind, auf dem Gelände von Worch Landtechnik. Maria Fischer

Raguhn - Das Gefährt wird eine Stunde nach Mitternacht übergeben. Montag auf Dienstag, zwei Wochen ist das jetzt her. Maria Fischer schildert die Aktion am Telefon. Vor dem Haus eines Mitarbeiters der Firma Worch Landtechnik nehmen Carsten Schulze und sie den Traktor entgegen. Der Mann fährt in einem Wagen voraus, zeigt den Weg von Raguhn zur Autobahn. „Wir konnten uns an der Auffahrt mit einreihen“, sagt Fischer.

Dort, auf der A9, ist in jener Nacht eine Kolonne von vielen hundert Traktoren auf dem Weg nach Berlin. Bauern aus der ganzen Republik wollen am kommenden Tag vor dem Brandenburger Tor gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung demonstrieren.

Die Landwirte Schulze und Fischer aus dem sächsischen Stollberg im Erzgebirge können dabei sein, weil ihnen das Raguhner Unternehmen Worch kurzfristig einen Trekker leiht. Die eigene Maschine sei auf den Feldern im Erzgebirge gebunden gewesen, erklärt Fischer zwei Wochen später. Wie also trotzdem in Berlin dabei sein? „Wir haben umher telefoniert“, schildert die Landwirtin. Vier Händler aus dem Umland der Hauptstadt seien erfolglos kontaktiert worden. Dann habe jemand auf die Firma aus Raguhn verwiesen.

„Weil die Bürokratie und die politischen Anforderungen nicht praxisnah sind“

„Sie haben sich kurzfristig gemeldet und ihre Situation geschildert“, erinnert Worch-Geschäftsführer Enrico Picht. Er habe sofort etwas organisiert, auch eine Unterkunft für die beiden gesucht. „Das war mir ein starkes Anliegen.“ Picht sieht die Agrarpolitik des Bundes ebenfalls kritisch. „Weil die Bürokratie und die politischen Anforderungen nicht praxisnah sind.“

Die bislang hohe Qualität der Produkte aus deutscher Landwirtschaft könne leiden. Nicht zuletzt seien Agrarunternehmen auch eine wirtschaftliche Stütze für den ländlichen Raum. „Deshalb ist ganz wichtig, dass die Landwirtschaft gestärkt bleibt“, meint Picht. Diese Botschaft sollte mit möglichst viel Nachdruck gen Berlin getragen werden. Und so konnten die Stollberger Landwirte sich noch in der Nacht auf einen Raguhner Traktor schwingen.

Es folgen rund 130 Kilometer Autobahn im Schneckentempo. „Das erste Bild habe ich am Ortseingang Berlin gemacht“, sagt Fischer. „Da war es um dreiviertel neun.“ An der Siegessäule legen wenig später mehr als 8.000 Traktoren den Verkehr lahm - die größte Trekkerdemo in der Geschichte der Hauptstadt. Bauern protestieren insbesondere gegen Dünger- und Insektenschutzauflagen aus dem Umweltministerium, die teils auf Vorgaben der Europäischen Union basieren. Aufgerufen hatte die Initiative „Land schafft Verbindung.“ Sie liegt im Clinch mit der Umwelt- und Klimaschutzbewegung.

Neben den Hauptstadt-Eindrücken nimmt Maria Fischer auch aus Raguhn etwas mit

Man wolle, „dass die Arbeit respektiert wird“, sagt Fischer. Sie wünscht sich, dass Menschen die Landwirte und ihre strapaziöse Tätigkeit wahrnehmen. Dass darauf geachtet werde, welche Produkte aus heimischen Anbau stammen. Die Demo in Berlin habe diese Anliegen auf die Straße gebracht. „Wenn ich Bilder anschaue, kriege ich Gänsehaut“, sagt die Frau aus dem Erzgebirge. „Das war für jeden Landwirt ein Erlebnis, das du nicht so schnell vergisst.“

Gegen Abend geht es wieder zurück nach Raguhn. Dort sitzen die Stollberger am nächsten Morgen noch mit Worch-Geschäftsführer Picht zusammen und sprechen über das Erlebte. Neben den Hauptstadt-Eindrücken nimmt Fischer auch aus Raguhn etwas mit: Das Wissen um den Zusammenhalt in der Branche. „Man kannte sich nicht, nur vom Telefon“, sagt sie. „Und hat trotzdem Vertrauen aufbauen können.“ (mz)