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Banken-Crash in Zörbig abgewendet

Von IRIS LADEMANN 05.03.2010, 17:29

ZÖRBIG/MZ. - Diese Gewerbevorschusskasse, so der damalige Name, war zur Förderung des Genossenschaftswesens gegründet worden.

"Von der im Februar 1846 beginnenden anhaltenden Teuerung, die sich 1847 durch eine Wirtschaftskrise noch bedeutend verschärfte, waren Arbeiter und Handwerker am schlimmsten betroffen. Diese Notstände, die auch um unsere Region keinen Bogen gemacht haben, brachten Hermann Schulze-Delitzsch auf die Idee, Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften - besonders im ländlichen Raum - zu gründen", blickt Brigitta Weber, Leiterin des Zörbiger Heimatmuseums, zurück. Denn der Abgeordnete der deutschen Nationalversammlung hatte erkannt, dass das Kleingewerbe gegenüber der Großindustrie nur bestehen kann, wenn es Kapital besitze.

"Schulze-Delitzsch war sozusagen der Vorkämpfer für die parlamentarische Demokratie, entwarf für die Handwerker ein System der Hilfe durch Selbsthilfe und wurde damit zum Begründer des Genossenschaftswesens weltweit", ergänzt Max Schaaff, Archivar und Mitglied des Zörbiger Heimatvereins, die Ausführungen.

Die Familie Schaaff, die 1710 in Zörbig den Grundstein für das Gewerbe der Buchdruckerei legte, habe zu Schulze-Delitzsch eine ganz persönliche Beziehung gehabt. "Mein Urgroßvater August Schaaff war nicht nur Stadtverordneter von Zörbig, sondern auch lange Jahre Kassierer bei dem 1864 gegründeten Spar- und Zuschussverein, bei dem es beinahe zum Crash gekommen war." Noch heute habe Max Schaaff, der in achter und letzter Generation als Buchdruckermeister in Zörbig tätig war, in seinem ganz privaten Archiv zu Hause handschriftliche Jahresabschlüsse aus dieser Zeit. "Aber nicht mehr lange", drohte Brigitta Weber mit einem Lächeln, die derartige Dokumente lieber in "ihrem" Museum sehen würde.

"Offensichtlich", vermutet Max Schaaff, "hatte diese Bank damals einen größeren Kredit ausgereicht, der nicht zurückgezahlt wurde." Um einen Zusammenbruch zu verhindern, habe sich der Kassierer August Schaaff an Schulze-Delitzsch gewandt, was Schriftverkehr belege. Darin bittet er Schulze-Delitzsch um einen Rat, wie das Problem gelöst werden kann. "Da die Bank weiter existierte, muss Schulze-Delitzsch wohl eine Lösung gefunden haben", meint Schaaff. Dass es 1864 zur Gründung dieser Genossenschaftsbank (Spar- und Darlehnskasse) kam, liege vermutlich darin begründet, kommt Brigitta Weber noch einmal auf den Ausgangpunkt zurück, dass der neue Bürgermeister von Zörbig, Friedrich Wilhelm Walter, ein langjähriger Mitarbeiter von Schulze-Delitzsch war.

1869 ging der Bank-Verein in die Hände von Schröter, Körner und Co. über. 20 Jahre später wurde der Zörbiger Credit-Verein, der bis 1945 existierte, auf dem gleichen Grundstück Nachfolger. Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges ging die Genossenschaft in die Hände des Zörbiger Kreditvereins Lederer Kotzsch und Co. Kurzzeitig übernahm die Raiffeisenbank in Zörbig die Geschäfte auf. Denn auch diese Bank hatte sich im Laufe der Jahre und Jahrzehnte zu einer leistungsfähigen, für die Agrarwirtschaft und ländliche Bevölkerung unentbehrliche Organisation entwickelt. Doch schon bald hatte die Bauernbank auf dem Gebiet der ehemaligen DDR die Geschäfte übernommen. Aber gleich nach der Wende war die Raiffeisenbank wieder da - an ihrem angestammten Platz, für den gewissermaßen 1854 der Grundstein gelegt worden war.