1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Bitterfeld-Wolfen
  6. >
  7. Ausstellung in Bitterfeld: Ausstellung in Bitterfeld: Alles aus Ton

Ausstellung in Bitterfeld Ausstellung in Bitterfeld: Alles aus Ton

Von Melain Müller 14.05.2014, 14:40
Zahlreiche Besucher waren bei der Wiedereröffnung der Dauerausstellung dabei.
Zahlreiche Besucher waren bei der Wiedereröffnung der Dauerausstellung dabei. Kehrer Lizenz

Bitterfeld/MZ - Robust und praktisch oder auch kreativ und fragil. Meist in Brauntönen gehalten, fallen manche Stücke aber doch durch ihre bunte Verzierung auf. Und in der Region findet man die Relikte aus jener Zeit, als Bitterfeld-Wolfen für seine Ziegelei- und Steinzeugindustrie bekannt war, noch in einigen Kleingärten. Nun hat das Kreismuseum in Bitterfeld seine Dauerausstellung „Steinzeug“ erweitert und wiedereröffnet. Sie zeigt die Vielfalt der Produktion - angefangen von Kanalröhren, über Geschirr oder Tröge bis hin zu Fliesen, die vielerorts in verschiedenen Mustern verlegt wurden.

Und sie haben ihre Robustheit unter Beweis gestellt. So konnte das Museum einen Teil der bunten Fliesen aus dem ehemaligen Pfarrhaus, Kirchplatz 4, retten, bevor es abgerissen wurde. Nun verzieren sie den Boden des Museums und ebnen den Weg zu weiteren noch erhaltenen Exemplaren, die von Heinrich Polko produziert wurden.

In Bitterfeld-Wolfen gab es sechs Firmen, die die 130-jährige Geschichte der Ziegelei- und Steinzeugindustrie maßgeblich prägten. Dazu zählt die Fabrik von Heinrich Polko ab 1863. Noch im selben Jahr kaufte Carl Kelsch eine Fabrik, die nach seinem Tod an seinen Schwiegersohn überging. Dort wurden unter anderem Tröge und Kanalröhren produziert. 1873 eröffnete Heinrich August Piltz seine Tonröhrenfabrik und zeitgleich begann Maurermeister Manfred Richter seine Fabrik an der Zörbiger Straße zu etablieren. Außerdem entstanden in der Grube bei Greppin seit 1860 Klinker und Ziegel und in den Muldensteiner Werken seit 1875 Gehwegplatten. (mem)

Er war der erste, der das Potenzial der Region erkannte. Bei den Arbeiten zur Bahnlinie Wittenberg-Bitterfeld wurden 1858/59 große Mengen Ton entdeckt, die zur Herstellung von Röhren, Geschirr oder Schamottwaren dienten. Er gründete 1863 zusammen mit dem Maurermeister Meie die erste Tonröhren- und Steinzeugfabrik in Bitterfeld. Da das Werk bald zu klein wurde, baute er eine neue Fabrik, ausschließlich für Kanalröhren. Im alten Werk begann er dann Wand- und Fußbodenplatten herzustellen.

Aber nicht nur im Museum finden sich Zeugnisse des 19. und 20. Jahrhunderts. So gebe es in vielen Kleingärten noch immer Blumentöpfe aus Ton, die dieser Zeit entstammen, sagt Sprecher Steven Pick. Auch die Jeßnitzer gehen auf den Spuren von Heinrich Meisel. Der hatte sein Werk 1875 eröffnet und die Gehwegplatten produziert, die noch in vielen Straßenzügen liegen.

Dass diese Industrie ausgerechnet in Bitterfeld-Wolfen so erfolgreich war, ist kein Zufall. In der Ausstellung wird deutlich, dass gleich mehrere Faktoren für den hiesigen Standort sprachen. Es gab nicht nur große Tonvorkommen, sondern die Qualität der Ressource war zudem außerordentlich gut. Bei der Suche nach Grundwasser in Greppin stieß man auf Braunkohle, auf der eine Tonschicht lag. Dieser sogenannte Braunkohleton war sehr hochwertig. Zudem war dank der Braunkohlevorkommen das Brennen des Tons vergleichsweise günstig. Ein letzter begünstigender Faktor war die frühe Anbindung der Stadt an das Bahnnetz, so dass die Erzeugnisse bis nach Berlin, Moskau oder Paris gebracht werden konnten. So stammen die gelben Klinker am Anhalter Bahnhof in Berlin aus der Greppiner Grube. Auch heute noch findet sich in der Kanalisation der Hauptstadt Steinzeug aus Bitterfeld-Wolfen. Man glaubt kaum, wie viele Röhren noch immer aus dem damals beliebten Ton bestehen.

Doch bereits kurz nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Industriezweig langsam von der Braunkohle- und Chemieindustrie verdrängt, bis 1990 das letzte Unternehmen verschwand.

Im Kreismuseum ist nun die ursprüngliche Ausstellung um einen Raum erweitert worden und bietet zahlreiche neue Exponate aus der Zeit der Steinzeugindustrie. So wurde ein halbes Tonrohr als Dachgiebel genutzt und ist jetzt im Museum zu sehen. Auch ein paar Kuriositäten sind unter den Stücken, wie ein Weihnachtsbaumständer und kleine Tonfiguren. Viele Stücke sind Schenkungen von Privatpersonen. Zudem bekam das Museum eine großzügige Spende von Bernhard Piltz, einem Nachfahren von Heinrich Piltz.

Das Kreismuseum in Bitterfeld, Kirchplatz 3, ist dienstags bis freitags und sonntags von 10 bis 16 Uhr geöffnet. Eintritt: 2,50 Euro, ermäßigt 1,50 Euro

Ein Teil des Fliesenspiegels aus dem ehemaligen Pfarrhaus, Kirchplatz 4, und weitere erhaltene Exemplare sind nun im Kreismuseum zu sehen.
Ein Teil des Fliesenspiegels aus dem ehemaligen Pfarrhaus, Kirchplatz 4, und weitere erhaltene Exemplare sind nun im Kreismuseum zu sehen.
Kehrer Lizenz
Auch Blumentöpfe aus Ton wurden in Bitterfeld-Wolfen hergestellt.
Auch Blumentöpfe aus Ton wurden in Bitterfeld-Wolfen hergestellt.
Kehrer Lizenz