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Auf Jakobsweg den Alltag vergessen Auf Jakobsweg den Alltag vergessen: Sandersdorfer hat 800 Kilometer zu Fuß zurückgelegt

Von Michael Maul 24.06.2018, 12:00
Harry Reuter aus Sandersdorf war auf dem Jakobsweg unterwegs.
Harry Reuter aus Sandersdorf war auf dem Jakobsweg unterwegs. Leserfoto

Sandersdorf - Papst Johannes Paul II. war schon da und auch Hape Kerkeling ist den Weg nach Santiago de Compostela gelaufen. Jetzt hat der Sandersdorfer Unternehmer Harry Reuter seinen Rucksack, den er liebevoll Rudi nennt, geschnürt und sich auf die Tour von Saint-Jean-Pied-de-Port nach Santiago de Compostela gemacht. In sechs Wochen hat er dabei rund 800 Kilometer zu Fuß zurückgelegt.

„Ich habe mich mit dem Gedanken schon einige Jahre beschäftigt“, beschreibt Reuter die Idee zu der Wanderung. Nach einer schweren Operation sei in ihm immer mehr der Gedanke gereift, im Leben etwas zu ändern. „Man muss es einfach schaffen, loszulassen vom täglichen Stress.“ Dazu sei die Wanderung, bei der man völlig auf sich gestellt ist, der richtige Weg. Man habe viel Zeit , sein Leben Revue passieren zu lassen und sich eine Strategie für die Zukunft zurechtzulegen. „Was geschehen ist, kann man nicht ändern, was die Zukunft bringt auf alle Fälle“, ist die Maxime des Sandersdorfers.

Allein unterwegs und doch unter tausenden Pilgern in Richtung Santiago de Compostela

Dabei denkt Reuter an sein Leben als Unternehmer, das er in Sandersdorf eingeleitet hat. „Wir sind nach der Wende von München nach Bitterfeld gezogen und haben dort unsere Firmen aufgebaut“, erzählt Reuter. Seine Frau Josefine hat am Bitterfelder Marktplatz die Bilderbox eröffnet und er selbst in Sandersdorf die Firma Logo-Team. „Werbung war damals sehr gefragt und so hatten wir reichlich zu tun.“ Dass dabei die Freizeit immer auf der Strecke geblieben sei, könne man sich denken, meint der Mann, der in München den Beruf des Bauzeichners gelernt hat. „Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal eine so lange Zeit für mich alleine hatte“, sagt Reuter und fügt an: „Wahrscheinlich noch nie.“

Nun sei es ja nicht so, dass man bei der Wanderung auf dem Jakobsweg allein unterwegs ist. Von Jahr zu Jahr würden es mehr Menschen aus der ganzen Welt sein, die sich auf verschiedenen Strecken in Richtung Santiago de Compostela abseits der großen Straßen über die Pyrenäen bis fast an die Küste des Atlantischen Ozeans auf den Weg machen, weiß der Sandersdorfer.

„1.400 Pilger kommen pro Tag am Zielort in Santiago an“, nennt Reuter eine Zahl. Dass dadurch entlang der Strecke auch die Wirtschaft im wahrsten Sinne des Wortes angekurbelt werde, sei nachvollziehbar. „Dort, wo früher keine Menschenseele wohnte, stehen heute alle zwanzig Kilometer kleine oder größere Herbergen, die die Pilger versorgen und ihnen eine Unterkunft gewähren.“

„Ich habe Regionen kennengelernt, die man vom Auto aus nie gesehen hätte“

Für ihn sei es eine sehr wertvolle Erfahrung gewesen, sagt der Sandersdorfer. „Ich habe Regionen kennengelernt, die man vom Auto aus nie gesehen hätte, habe Menschen der unterschiedlichsten Nationen getroffen und sehr viele Erfahrungen gesammelt.“ Dass das alles manchmal bis an die Schmerzgrenze gegangen sei, will Reuter nicht verheimlichen. So manche Blase an allen Stellen der Füße sei zu bekämpfen gewesen und der Regen auf manchen Streckenabschnitten habe auch nicht gerade für Euphorie gesorgt.

Am Ende aber sei das Ankommen das Wichtigste gewesen. „Bereut habe ich es nie, werde aber die Wanderung sicher nicht noch einmal absolvieren.“ Doch man soll ja nie nie sagen. „Ich habe in den sechs Wochen gelernt, das man das Leben auf das Wichtigste reduzieren kann und es trotzdem noch ordentlich weiterläuft. Sechs Wochen aus dem Rucksack leben, das funktioniert und es bringt keine großen Einbußen im Leben“, sagt er. (mz)