Arbeitertheater bis Zeichenzirkel Arbeitertheater bis Zeichenzirkel: Student aus Mühlbeck arbeitet Geschichte der Volkskunstzirkel auf

Mühlbeck - Ach ja - früher ... Die Erinnerung kehrt zurück bei all jenen, die Marc Meißner interviewt hat. Der Mühlbecker, der an der Universität der Bundeswehr Staats- und Sozialwissenschaften studiert, hat sich in seiner Masterarbeit dem Bitterfelder Kulturpalast gewidmet.
Nicht dem Gebäude - sondern dem Leben, das im Gebäude tobte. Und das war überaus facettenreich. Das Haus war bis zuletzt Heimstatt vieler Zirkel. Zu DDR-Zeiten waren es sage und schreibe 80. Fast ausschließlich solche, die sich mit Kunst und Kultur befassten - vom Arbeitertheater bis zum Zeichenzirkel.
Genau die interessieren Marc Meißner. Und das Thema wird ihn so schnell wohl nicht wieder loslassen, meint er. „Für mich war das, was ich rausgefunden habe, überraschend. Und je mehr ich mich damit befasste, umso mehr fand ich und umso mehr neue Fragen ergaben sich. Wahnsinn.“
Wie entstanden die Zirkel? Wie lief das Leben dort ab? Was hat die Leute so begeistert?
Wie entstanden die Zirkel? Wie lief das Leben dort ab? Was hat die Leute so begeistert? Was wurde angeboten? Fragen, denen er nachging. Meißner recherchierte, wann und wo immer es ging. Sein Ziel: Historische Daten sammeln und für die nächsten Generationen erhalten. Das Besondere seiner Arbeit ist, dass die reinen Fakten mit persönlichen Erinnerungen verbunden werden.
Die Zeit, in der er Leute befragen kann, die live dabei waren, freilich wird knapp. Die meisten haben schon ein hohes Alter erreicht. Mit zehn von ihnen hat er bis jetzt gesprochen. Hat ihre Geschichten erfahren, Neues gelernt. Bis dato hat noch niemand in dem Umfang und auf diese Art die Geschichte des Kupa und seiner Zirkel des Volkskunstschaffens aufgearbeitet.
„Bei den Leuten, die mit mir gesprochen haben, hab ich richtig ihre Begeisterung rausgehört. Manches Gespräch war so emotional, dass Tränen flossen“, sagt er. „Durchweg alle sind froh, dass der Kulturpalast bleibt. Für sie ist das ja auch ein Teil ihres Lebens.“ Und für viele sind die Arbeit und die Förderung, die sie durch die Zirkel erfahren haben, ein Sprungbrett in den Beruf geworden.
Es war die Lust am Gestalten, die Anerkennung, die Gemeinschaft und die Freiwilligkeit
Drehbuchautoren und Regisseure, Maler, Musiker, Fotografen und Schauspieler, Schriftsteller und mehr sind daraus hervorgegangen. Steinmetz Rudolf Hilscher, Malergehilfe Herbert Geheb, Chemiegehilfe Johannes Wagner beispielsweise wurden gar anerkannte Kunst-Professoren. Die Sandersdorferin Lore Dimter, die begabte Malerin, schwört heute noch auf die Kraft der Laienkunst.
Das Angebot war gewaltig. Wer weiß schon, dass in den 50er Jahren der Akkordeonzirkel und das Filmkollektiv die Renner waren? In den 80ern zog’s die meisten zum Breakdance-Zirkel und zur Popgymnastikgruppe. „Man kann nur staunen, was die DDR für Kunst und Kultur ausgab“, meint Meißner. „Schlägt man ein monatliches Kulturangebot des Kupa auf, denkt man, das ist das Programm der Stadt Leipzig. Jeden Tag war für jeden was dabei.“
Es war die Lust am Gestalten, die Anerkennung, die Gemeinschaft und die Freiwilligkeit, die die Leute zusammenhielt. „Das war ein offenes System, das hat sich entwickeln können. Man fand sich ohne staatliches Zutun zusammen. Das war das beste, was passieren konnte. Die staatliche Flankierung kam später, dann flossen auch Gelder. Man sollte also die Zirkel nicht immer nur im Raster des Bitterfelder Weges sehen.“ (mz)

