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Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Wolfens Geschichte in bunten Farben

Von WLADIMIR KLESCHTSCHOW 11.07.2011, 15:48

WOLFEN/MZ. - Bis vor kurzem hatten Laura Wild und Michelle Voigt, Achtklässlerinnen des Heinrich-Heine-Gymnasiums in Wolfen, mit Graffiti nicht viel im Sinn. Die vielen Schmierereien an Wänden, Toren oder Zäunen stießen bei ihnen nicht unbedingt auf Sympathie. Doch nun sind die beiden dabei, sich die Grundlagen der sprühenden Kunst anzueignen - unter der Anleitung von Christian Schelle, einem Wolfener Graffiti-Künstler. Die MZ berichtete bereits über das Projekt "graffiti meets history" (Graffiti trifft auf Geschichte). Mittels bunter Farben sollen zuerst vier von den vielen gegenüber der Schule liegenden Garagen ansprechend gestaltet werden.

Die Idee für dieses Projekt ist im Rahmen eines anderen Projektes entstanden, dessen Name "Engagement-Lotsen im Stadtteil Bitterfeld-Wolfen" ist. Engagement-Lotsen - das sind Einwohner, die ehrenamtlich arbeiten und andere dazu animieren wollen, etwas für gemeinsames Belange zu tun. Sechs Bürger haben sich als Lotsen gemeldet. Sie erhalten eine Ausbildung, zu der Grundlagen der Öffentlichkeitsarbeit ebenso gehören wie das Wissen darüber, wie Fördergelder beantragt werden. Hinter der Sache stecken die EWN - Erneuerungsgesellschaft Wolfen-Nord -, die Freiwilligen-Agentur "MehrWert" und der Verein Biworegio.

Achim Grünewald ist einer der Lotsen. Der Vorruheständler hat Zeit und will sie zur Stärkung seiner sozialen Kontakte sowie zum Wohle seiner Stadt nutzen. Gemeinsam mit Andrea Schelle und Inge Hobohm entwickelte er die Idee mit den Garagen. "Der Garagenkomplex steht unmittelbar am Schulgelände, hier liegen die Volkshochschule und das Sportzentrum", erklärt der Wolfener. "Viele Menschen kommen hier also vorbei. Und was sehen sie? Die tristen Garagen mit Schmierereien drauf. Durch Graffiti soll es hier freundlicher werden."

Zuerst wurden die Schüler des Gymnasiums aufgerufen, Vorschläge für die Garagen-Bemalung zu machen. Die Motive sollen etwas mit der Geschichte, der Gegenwart und der Zukunft Wolfens zu tun haben. Nun werden die besten Skizzen ausgesucht, im September werden die Garagen besprüht.

Laura Wild, Michelle Voigt und andere Schüler machen dabei mit. Deshalb ließen sie sich von Christian Schelle die handwerkliche Seite der Graffiti-Kunst erläutern. Schelle ist 31, seit seinem 13. Lebensjahr "sprüht" er. Zuerst waren es wohl ähnliche Schmierereien, wie sie an allen möglichen und unmöglichen Stellen zu sehen sind. "Doch irgendwann stehst du vor der Wahl: Entweder machst du illegal weiter, oder du entscheidest dich für legale Kunst", sagt Schelle.

Legale Kunst - das sind zum Beispiel Aufträge von Firmen und Privatpersonen zum Bemalen von Objekten. Im Winter macht die übliche Graffiti-Kunst aber Pause: Zu kalt zum Sprühen ist es draußen. Schelles Wunsch ist es deshalb, ein Praktikumsplatz in einer Siebdruck-Werkstatt zu finden. Dann könnte er auch im Winter arbeiten. In solchen Werkstätten werden zum Beispiel kunstvolle Aufdrucke auf T-Shirts gemacht.

Doch zurück zu den Garagen. Deren Besitzer haben schon ihr Einverständnis erklärt, Sponsoren sichern Unterstützung zu. Immerhin kostet eine Dose Farbe zwischen vier und fünf Euro. Dazu kommen andere Sachen wie zum Beispiel Grundierung. Später sollen vielleicht weitere Garagen gestaltet werden.

Was Laura Wild und Michelle Voigt betrifft, so haben sie nach dem ersten Probe-Sprühen Blut geleckt. Nein, Berufskünstler wollen die Achtklässlerinnen nicht werden: Die eine sieht ihre Zukunft bei der Polizei, die andere will Psychologie studieren. Als ihr Hobby können sie sich die Malerei aber durchaus vorstellen - mit einer Sprühdose oder einem Pinsel in der Hand.