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Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Wölfe im Schafspelz

Von detmar Oppenkowski 05.03.2013, 19:36
Marko Steckel und Steffen Andersch stellen die Bilanz vor.
Marko Steckel und Steffen Andersch stellen die Bilanz vor. Sebastian Lizenz

Bitterfeld/MZ - Die Gewalttaten, Beleidigungen und Propagandadelikte mit rechtsextremem Hintergrund sind im Landkreis Anhalt-Bitterfeld auf den ersten Blick rückläufig. Verzeichnete das mobile Beratungsteam gegen Rechtsextremismus „Gegenpart“ 2011 noch 118 Vorfälle, so waren es im vergangenen Jahr 50.

„Doch diese Zahlen trügen“, sagt Gegenpart-Mitarbeiter Steffen Andersch. Denn das Datenmaterial der Polizei zur „politisch motivierten Kriminalität rechts“ liege nur bis Ende Mai 2012 vor, sprich: Bislang konnten gerade einmal fünf Monate ausgewertet werden.

„Aus unserer Sicht werden sich die bisherigen Zahlen durch die zu erwartenden Nachmeldungen also noch nach oben korrigieren“, so Andersch. Als Beleg dafür verweist er auf die registrierten Fälle der Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt. Hier hat Projektmitarbeiter Marko Steckel ausschließlich die Anzahl der rechtsmotivierten Angriffe auf Andersdenkende zusammengetragen.

Während er in den Landkreisen Anhalt-Bitterfeld und Wittenberg sowie in Dessau-Roßlau im Jahr 2011 insgesamt 25 Gewalttaten, Bedrohungen oder Beleidigungen registrierte, waren es im vergangenen Jahr 23. „Damit ist die Zahl auf relativ hohem Niveau konstant“, so Steckel. „Vor allem Anhalt-Bitterfeld und Dessau-Roßlau stechen mit jeweils neun rechtsextremen Übergriffen hervor.“ Allein in der Kreisstadt Köthen kam es dabei zu sechs politisch rechtsmotivierten Angriffen, unter anderem auf einen griechischen Restaurantbesitzer und einen chinesischen Gaststudenten (die MZ berichtete).

Hier gäbe es aber keine feste rechtsextreme Gruppierung, vielmehr handele es sich um einzelne „Intensivstraftäter“, so Steckel. Anders sehe es in Bitterfeld und in Dessau aus. Dort haben sich laut Steffen Andersch die Strukturen der „Freien Nationalisten“ gefestigt. „Sie agieren zusammen im öffentlichen Raum - vorzugsweise in Dessau.“ Auffällig sei hier im vergangenen Jahr die hohe Dichte von rechtsextremen Kundgebungen gewesen. Mit acht Veranstaltungen sei Dessau ein Schwerpunkt für die Rechten gewesen. „Sie haben die Stadt verstärkt als Aktions- und Projektionsfläche genutzt.“

Auch in diesem Jahr setze sich dieser Trend fort, denn bereits für den 9. März sei eine weitere Demonstration angemeldet worden. Nach ersten Schätzungen könnten bis zu 250 Rechtsextremisten aus Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen an diesem Tag zu einem so genannten Tauermarsch zusammenkommen. Neben diesen öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen sieht Andersch aber noch eine weitere neue Entwicklung in der rechten Szene - die „Unterwanderung von sozialen Netzwerken“.

Diese würden einerseits als „Kommunikationsplattform untereinander“ genutzt. Andererseits versuchten die Rechtsextremen, „mehrheitsfähige Themen emotional“ zu besetzen. So etwa den Umgang mit Sexualstraftätern oder die Unterbringung von Asylsuchenden. Auch daher spricht Andersch von „Wölfen in Schafspelzen“.

Zu diesen Trends und den erhobenen Zahlen der beiden Projekte nahm das Innenministerium auf MZ-Nachfrage keine Stellung. Erst am 13. März werde die Statistik über die politisch motivierte Kriminalität vorgestellt, hieß es.