Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Noch immer gibt es einige Zweifel
BITTERFELD/MZ. - Der junge Mann bleibt dabei: Er habe sein Kind nicht misshandelt. Weshalb es in jener Nacht zum 29. Dezember 2008 zu den schweren Verletzungen des damals zwei Wochen alten Sohnes kam, erklärt er mit einem Unfall. Nachdem er den Kleinen im Affekt am Kopf aus dem Bett gezogen und sofort bemerkt habe, dass das nicht richtig war, habe er ihn getröstet. Dabei sei er vom Bett gestürzt, das Kind aus seinen Armen und gegen Möbelstücke geflogen.
Am Dienstag fand beim Bitterfelder Amtsgericht der zweite Verhandlungstag in dem Prozess statt. Der 21-Jährige muss sich wegen Kindesmisshandlung in Verbindung mit schwerer Körperverletzung vor dem Jugendschöffengericht unter Vorsitz von Jutta Keil verantworten (die MZ berichtete). Doch die Zweifel an seinen Aussagen, die bei den Beteiligten schon bei der ersten Sitzung auftraten, wurden auch diesmal nicht entkräftet.
Allein die schlimmen Verletzungen bei dem Säugling, die am Dienstag durch Ärzte auch der Rechtsmedizin detailliert erläutert wurden, scheinen eine andere Sprache zu sprechen. Vor allem die rechtsseitige Schädelfraktur in einer Breite von fünf Millimetern lasse Bedenken aufkommen bezüglich eines Unfalls, wie der Rechtsmediziner auch auf der Grundlage wissenschaftlicher Studien erklärte. Der Professor einer Leipziger Klinik erstellte das Gutachten als Sachverständiger. Ausschließen könne er es allerdings nicht, dass der Schädelbruch und auch die gebrochenen Rippen durch einen Sturz herbeigeführt wurden.
Auch für den Rechtsmediziner aus Halle, der das Kind auf der Intensivstation der Uniklinik noch am Tag des Vorfalls untersucht hatte, ergaben sich Ungereimtheiten. Er bestätigte zwar, dass ein Sturz aus großer Höhe zu einem Schädelbruch führen, doch damit nicht das Gesamtbild der Verletzungen erklärt werden könne. Bei dem Kind waren an mehreren Stellen Hautunterblutungen und Hämatome, auch an der linken Kopfseite, sowie Kratzer am Arm festgestellt worden. Bleibende Schäden soll der heute Anderthalbjährige nicht davongetragen haben.
Am deutlichsten war die Aussage der Ärztin aus dem Bitterfelder Klinikum, in das die Eltern ihren Jungen kurz nach dem Ereignis gebracht hatten. Das Kind habe sehr schlecht und blass ausgesehen. "Wenn mir die Schwestern nicht gesagt hätten, als sie mich riefen, dass es noch lebt, dann hätte ich gedacht, es ist tot." Die Ärztin hat das Kind sofort versorgt, woraufhin es sich auch erholt, aber offenbar noch große Schmerzen gehabt habe. Sie veranlasste auch die Röntgenaufnahme und diagnostizierte unter anderem den Schädelbruch.
Schon da habe sie eine Misshandlung vermutet. Zumal der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt noch eine ganz andere Version als Ursache der Verletzungen angab, wie er selbst bestätigte: Er habe das Kind aus dem Bett nehmen wollen, dabei sei es ins Bett zurück gefallen. Diese Lüge hatte er am ersten Prozesstag damit erklärt, dass er Angst vor einem Strafverfahren gehabt habe.
Unzweifelhaft ist, dass sich der damals 19-Jährige, der glaubhaft beteuert, wie sehr er das Ganze bedauert und sich deshalb auch in psychologische Behandlung begab, in keiner leichten Situation befand. Stress mit der Freundin, die dominant ist und ihn provoziert, Probleme mit den Arbeitsstellen, das ungewollte Kind, das zu einem gewollten werden sollte - so führte es der Professor einer psychiatrischen Klinik in Halle als Sachverständiger in diesem Prozess aus. Auch in jener Nacht habe eine provokante Situation zur Handlung des Angeklagten geführt: Die Freundin hatte das Kind gefüttert, und als der Angeklagte danach zu schnarchen anfing, habe sie ihm gesagt, er solle sich um den Jungen kümmern und ist zum Schlafen ins Wohnzimmer gegangen.
Eine dauerhaft seelische Krankheit bescheinigt er dem Angeklagten in seinem Gutachten nicht, auch keine Bewusstseinsstörung - aber eine schwere seelische Abartigkeit und eine selbstunsichere Persönlichkeit. Das alles gebe Hinweise auf eine Impulstat. Der Prozess wird am 22. Juni fortgesetzt, wo unter anderem die Röntgenaufnahme des Kindes durch einen Radiologen ausgewertet werden soll.