Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: «Muldeperle» hat Auftrieb
SCHLAITZ/MZ. - Der Industrietaucher arbeitet für das Bad Saarower Tauchunternehmen "Leunert", das für die Bergung des Schiffs den Zuschlag erhalten hat.
Es ist kurz vor zehn Uhr. Freiherr steigt plötzlich auf. Über den gelben Tauchhelm, der ihn über eine lange Leitung mit Pressluft versorgt, wurde er soeben vom Koordinator der Schiffsbergung Wolfgang Caspari informiert, dass dieser Anlauf gescheitert ist. Grund sind die gerade geborstenen Scheiben, die neues Wasser in den Innenraum eindringen lassen. Es folgt eine kurze Beratung. Zusammen mit dem Miteigentümer des Schiffs und Heide-Camp-Inhaber Walter Berger entschließt man sich, Holzplatten vor allen Fenstern auf der Wasserseite anzubringen. Während Casparis übrige Männer alle notwendigen Vorbereitungen treffen, hat Industrietaucher Freiherr eine kurze Verschnaufpause. "Das Wasser ist ganz angenehm", sagt er verschmitzt, "wird wohl fünf bis sechs Grad haben." Aber dafür hat er ja seinen dicken, rot-schwarz gemusterten Neoprenanzug. Sechs Stunden könne er damit unter Wasser aushalten, aber solange werde es heute sicherlich nicht dauern, meint er zuversichtlich.
Dann setzt ihm ein Kollege auch schon wieder den gelben Tauchhelm auf, und Freiherr verschwindet erneut im Muldestausee. Über das Kabel ist er direkt mit dem kleinen Werkstattcontainer, der gleichzeitig Einsatzzentrale ist, verbunden. Man hört schwere Atemgeräusche, dann eine Anweisung. "Zieht die Holzplatte noch einmal raus", so Freiherr, "die Bohrungen müssen fünf Zentimeter weiter nach innen." Auch zwei Beamte der Wasserschutzpolizei verfolgen nun aufmerksam den zweiten Anlauf. Ebenso wie Schiffsinhaber Berger. Seit Sonntag treibt ihn das auf Grund gelaufene Schiff täglich hier heraus. Nachdem der am gleichen Tag in die Wege geleitete erste Bergungsversuch erfolglos blieb, hatte er einen Auftrag ausgeschrieben. Über die Höhe der Bergungskosten will er nicht sprechen. Auf die Ausschreibung meldeten sich aber einige Firmen. Ihre finanziellen Vorstellungen lagen zwischen 12 000 und 70 000 Euro. "Mir ist jetzt vor allem wichtig, dass wir das Schiff so schnell wie möglich aus der Gefahrenzone bekommen", sagt er.
"Wir würden es am liebsten heute noch nach Friedersdorf bringen", meint auch der Schiffsführer der "Muldeperle", Peter Förster. Seit 1986 ist er an Bord und kennt sein Schiff aus dem Effeff. "Fast 23 Meter lang, 3,8 Meter breit, 75 Pferdestärken", sagt er. Doch ob am 15. März 2010 - dem Saisonstart - sein Schiff wieder Touristen über den Muldestausee schippern werde, wisse auch er nicht.
Mittlerweile ist Industrietaucher Sven Freiherr am letzten Fenster angelangt. Ab und an sieht man den gelben Helm unter der Wasseroberfläche schimmern. Dann ist es soweit. Koordinator Caspari gibt 12.10 Uhr das Signal, und einige Sekunden später springen sieben Pumpen an. 800 Kubikmeter Wasser pro Stunde schaffen die, aber bereits nach 20 Minuten sind deutliche Erfolge zu sehen. Die abgedichteten Fenster halten, und das Schiffsheck hebt sich - befreit von seiner Last - Zentimeter für Zentimeter aus dem Wasser. Langsam werden im Fahrgastraum Tische und Stühle wieder sichtbar. "Ein schwimmendes Aquarium", sagt jemand. Und in der Tat: Hunderte kleine Barsche haben sich hierher verirrt. Dann betritt Freiherr ohne Tauchhelm die Kabine und positioniert die Pumpen neu.
Es ist 13 Uhr. Das Wasser ist gewichen. Zurück bleibt ein Bild der Verwüstung. Aber das bewegt Berger jetzt nicht. "Wir warten auf den Sachverständigen." Drei Stunden später weiß er mehr: "Die Muldeperle schwimmt." Daher kann sie heute nach Friedersdorf zum Winterliegeplatz geschleppt werden. Doch erst, wenn sie an Land gebracht ist, wird man das ganze Ausmaß des Schadens sehen.