Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: «Irgendwie geht's immer vorwärts»
sandersdorf/MZ. - Dietmar Hübner steht im Wohnzimmer und reißt die Tapete von den Wänden. Der Raum ist leer, auch in Flur und Küche stehen keine Möbel mehr. Um eine normale Renovierung handelt es sich hier dennoch nicht. Denn während die Räume im Erdgeschoss des Einfamilienhauses noch in ihrer ursprünglichen Form erhalten geblieben sind, sieht es in der Etage darüber schon ganz anders aus. Die ist fast völlig weg, nur noch einzelne Wände stehen. Dazu gehören jene des einstmals großen Bades, dessen eigentlich sehr helle Fliesen jetzt schwarz sind von Ruß.
Einiges ist schon passiert
Dennoch ist schon einiges passiert nach dem Brand am Neujahrsmorgen, der hier im Sandersdorfer Ahornweg das Zuhause der Hübners unbewohnbar gemacht hat. Die Reste des verbrannten Dachstuhls sind abgerissen, die Fußbodenheizung im oberen Bereich ist raus. Der Boden selbst, der zur Zeit die Funktion des Daches erfüllt, wurde mit Dachpappe abgedichtet und mit einem Abfluss versehen - damit das Haus vor Nässe geschützt ist.
Ja, Familie Hübner fängt noch einmal neu an mit dem Haus. "Obwohl ich mir nie hätte träumen lassen, dass ich mit 70 noch mal baue", sagt der Rentner, dem man sein Alter nicht ansieht. Und der jetzt eigentlich recht zuversichtlich ist, dass er und seine Frau und die vielen Helfer, die es gibt, das auch schaffen. "Irgendwie geht’s immer vorwärts."
Keine Kleinigkeit, die man sich da vorgenommen hat. Immerhin ist das Haus fast völlig zerstört. Denn: "Was das Feuer nicht geschafft hat, das hat das Wasser erreicht", sagt der Mann. Während man oben auf den Dachstuhl wartet, um mit dem Neuaufbau beginnen zu können, müssen Wände und Böden im Erdgeschoss erst einmal richtig austrocknen. Überall stand das Wasser nach dem Löscheinsatz. "Aus dem Keller hat die Feuerwehr damals 25 Zentimeter abgepumpt", sagt Hübner. Ergo: Auch die gesamte Heizungselektronik war hin.
Anblick wird er nie vergessen
Und nicht nur das. Den Anblick vom 1. Januar wird er wohl nie vergessen. Als er und seine Frau Erni und das befreundete Ehepaar, mit dem man zusammen Silvester gefeiert hatte, mit ansehen mussten, wie das Haus quasi kontrolliert den Flammen zum Opfer fiel. Auf Löschwasser nämlich konnte die Feuerwehr nicht schnell genug zurückgreifen: Der in der Nähe befindliche Hydrant funktionierte nicht, so dass die Schläuche erst bis zu den weiter entfernt gelegenen gebracht und Wasserwagen angefordert werden mussten. Hinzu kam, dass die Anfahrt für die Wehren in den engen Straßen der Siedlung nicht ganz einfach war.
Dabei hatte sich die Situation am ersten Tag des neuen Jahres in der Frühe noch gar nicht so schlimm gezeigt. Gegen acht hatten die Hübners bemerkt, dass es brennt. "Aber nur unser Auto, das unter dem Carport stand", sagt Hübner. Das dachte er zu diesem Zeitpunkt jedenfalls und holte Schlauch und Eimer, um zu löschen. Nach oben hatte er bis dahin noch nicht geschaut. Sonst hätte er vielleicht gesehen, dass dort die Plaste geschmolzen und auf das Auto getropft war - offenbar durch einen Feuerwerkskörper.
Ermittlungen vor Ort
So jedenfalls erklärt es Hübner nach der Spurensicherung durch die Polizei vor Ort. Das Ergebnis der Brandursachenermittlung liegt zwar noch nicht vor, aber Fakt ist: "Plötzlich stand das Auto in Flammen, und ruck-zuck griff das Feuer durch das Carport-Dach auf das Haus über." Und daran konnte vorerst auch die Feuerwehr nichts ändern, die zwar schnell da war, aber erst mal kein Wasser hatte.
Werte kann man ersetzen
Doch bei aller Dramatik: "Werte kann man ersetzen", denkt Hübner auch an das Auto. "Ein Audi, den wir bis zum Lebensende fahren wollten." Das Auto der Freunde, das dahinter stand, hatte er noch rechtzeitig weggefahren. Viel wichtiger ist ihm, dass keinem was passiert ist. "Das alles hätte ja auch in der Nacht geschehen können, da wären wir vielleicht gar nicht mehr aus dem Haus gekommen."
Leicht sei das alles dennoch nicht, vor allem für seine Frau. Alte Fotos, Bücher, Kleidung, Möbel - das meiste ist weg, und so manches davon unwiederbringlich. Dennoch sehen es die beiden als Glück im Unglück, dass jetzt alles recht zügig geht und ihnen so große Unterstützung zuteil wird. Wohnen können sie bis zum Wiedereinzug in Jeßnitz bei Bärbel und Bernd Spießbach - dem Ehepaar, das den Brand auch miterlebt hat. "Wir sind schon eine Generation lang eng befreundet, auch damals mit den Kindern haben wir viel gemeinsam unternommen."
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Hilfe von vielen Seiten
Die Dachdecker-Firma BiDa, wo Frau Hübner arbeitet, hat nicht nur die notwendigen Arbeiten übernommen, sondern auch gleich am Neujahrstag das Haus mit Planen abgedeckt. Nachbarn haben Schutt und Müll mit entsorgt - sage und schreibe 38 Container sind voll geworden - und auch Unterkunft angeboten. Die Kinder und Enkelkinder sind gekommen. Die Stadt Sandersdorf-Brehna hat Unterstützung zugesagt, und die Kreiswerke waren sehr zuvorkommend, was das Abholen des Sperrmülls betrifft. Und ganz wichtig: "Die Versicherung greift", sagt Hübner und lobt auch die schnelle Ermittlungsarbeit der Polizei vor Ort, die schon am 3. Januar grünes Licht für die Gutachter und somit den Neubeginn gegeben habe.
Im Mai könnte Einzug sein
"Für uns kam eigentlich von Anfang an nichts anderes in Frage", ist er überzeugt. "Wir haben viel Arbeit und Herzblut reingesteckt, als wir das Haus 1994 gebaut haben. Und unser Geld, ständig gespart dafür. " Im Mai könnte Einzug sein, wenn alles weiter so gut klappt. Und auch das Wetter mitspielt: Noch so ein Partner, auf den man bisher zählen konnte. Doch feststehen dürfte ebenfalls: Zum neuen Mobiliar gehören bestimmt Feuerlöscher. Einige Nachbarn haben sich schon damit eingedeckt.