Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Hashish - ein Siegertyp
Thalheim/MZ. - Jetzt bloß nichts falsch machen, keiner soll aus der Reihe tanzen. In diesem großen Moment, wenn strenge Richteraugen den eigenen Hund begutachten, sind die Besitzer angespannter als ihre Tiere. Alles hängt von diesem einen ersten Eindruck ab, ist in den hoch konzentrierten Gesichtern zu lesen. 415 Deutsche Boxer haben sich am Wochenende in Thalheim beäugen lassen. Auf dem Sportplatz der SG Rot-Weiß Thalheim veranstaltete die Boxergrupe Zeschepkau e.V. die Jahressiegerzuchtschau. Für den Verein und alle Angereisten etwas ganz Großes. "Die Titel, die hier vergeben werden, sind sehr begehrt, weil das Niveau erstklassig ist. Hier trifft sich die Spitze aus Europa, es ist viel Konkurrenz da. Und man muss ja auch sehen: Deutschland ist das Mutterland dieser Hunderasse", sagt der Ausstellungsleiter Roland Bebber. Und gibt lächelnd zu: "Boxerliebhaber sind schon auch ein bisschen verrückt." Weil sie viel Zeit und Geduld in ihre Tiere stecken, weil sie das Beste rausholen wollen. Aus 16 Ländern sind die Hundeverrückten angereist, haben teilweise neben dem Gelände campiert oder sich in umliegenden Hotels einquartiert.
Quirliger Typ
Einer der Quirligen unter den Züchtern ist Torsten Lemmer. Der Düsseldorfer ist jemand, der aus dem Stegreif und wortreich gestikulierend erklären kann, warum Boxer die Hunderasse schlechthin ist und was für die Zucht wichtig ist. Seit 20 Jahren ist der 42-Jährige dabei. Als kleiner Junge ist er mal mit einem Boxer Gassi gegangen, weil der Nachbar keine Zeit hatte. Irgendwann kam dann der erste eigen Hund, Fausto. "Das hat so einen Spaß gemacht, dass ich wenig später die Zucht aufbaute. Boxer sind absolut schmusige Familienhunde und treue Schutztiere. Sie haben einen Beschützerinstinkt und deshalb kann man sie auch ruigen Gewissens mit Kindern allein lassen. Diese Eigenschaften unterscheidet sie auch von anderen Gebrauchshunden", sagt Lemmer. Gebrauchshunde, mit diesem recht bürokratischen Begriff wird beschrieben, wofür die Tiere auch eingesetzt werden, bei der Polizei: Die Hunde können Spuren verfolgen, Drogen oder Sprengstoff erschnüffeln und vieles mehr.
In Thalheim geht es vor allem um die Schönheit und dass sie sich ordentlich bewegen können, erklärt Bebber. Vier internationale Richter im jeweils abgesteckten Feld beurteilen die Hunde. Einer davon ist der Präsident des Weltverbandes der Deutschen Boxer. Sie müssen dem Standard entsprechen, der im Jahr 1904 in Deutschland bestimmt und seitdem nur geringfügig geändert wurde.
Sensationelles Ambiente
Dass die Schau nun zum zweiten Mal nach Bitterfeld-Wolfen kam und damit überhaupt zum zweiten Mal in den neuen Bundesländern stattfindet, dafür haben sich die Zschepkauer beworben. Ein Argument, das zog, war das Jubiläum 800 Jahre Anhalt. Aber auch das "sensationelle Ambiente", so Bebber. "Einige sagen ja, wir hätten hier auch die Voraussetzungen für eine Welthundeausstellung." Bebber selbst züchtet seit 40 Jahren. Er schätzt die "gute Seele" des Hundes, seine Lebhaftigkeit. "Er ist einfach ein toller Hund."
Boxer von und zu
Das sieht auch Lemmer so. In seinem "Zwinger von Fausto" - Züchter geben ihren Zwingern auch ein wenig herrschaftliche Namen, "Zwinger von Preußens Eden" oder von der "Burg Singidunum" beispielsweise - haben mittlerweile 42 Würfe das Licht der Welt erblickt. Einige Boxer tragen derzeit Namen wie Amphetamine, Methadone, Anabolic ... "Meine Freundin hat eine Vorliebe für ausgefallene Namen, ist doch auch witzig," sagt Lemmer und muss selbst lachen.
Am erfolgreichsten ist Hashish von Jess Box. "Seit zwei Jahren ist er der erfolgreichste Boxer. Er ist bei 38 internationalen Wettbewerben angetreten und hat 38 Mal gewonnen", so Lemmer ziemlich stolz. Das Ganze in verschiedenen Klassen, und auch die Jahressiegerzuchtschau in Thalheim war ein Erfolg. Hier werden die Hunde in verschiedenen Kategorien bewertet - jüngste Hunde, Jugend, Gebrauchshunde und so weiter. Nicht alle Besitzer sind mit der Bewertung zufrieden. "Manche wollen das Urteil nicht einsehen. Da muss man sich dann schon auch mal ein paar Dinge anhören", sagt Zuchtrichter Peter Holzhausen, der seit 1988 richtet. "Aber damit muss man leben." Und überhaupt: "Es gibt keinen fehlerfreien Hund. Die Frage ist nur, wie weit die kleinen Fehler vom Standard abweichen." Drei Dinge bewertet er: Typ, Schönheit und Bewegung.
Große Solidarität
Wie man seine Hunde am besten präsentiert, darin ist Lemmer ein alter Hase. "Das eine ist die Zucht, wo man über Generationen versuchen muss, linienschöne und gesunde Tiere zu züchten. Das andere ist die Präsentation: Man muss die Vorzüge zeigen und eventuelle Nachteile verdecken."
Aber insgesamt geht es an diesem Wochenende auch darum, Kontakte aufzufrischen und zu halten. Man kennt sich untereinander, man sieht sich teilweise mehrmals im Jahr bei verschiedenen Wettbewerben. Viel Zeit geht dabei drauf und natürlich auch viel Geld. Lemmer beispielsweise ist im Jahr rund 50 000 Kilometer unterwegs, verfliegt 10 000 Flugkilometer. Auch in Puerto Rico oder Thailand waren seine Tiere schon zu sehen.
Und im Osten Deutschlands ist er eigentlich am liebsten: "Weil hier die Menschen noch solidarisch sind, das ist anders als im Westen. Es gibt hier ein großes Zusammengehörigkeitsgefühl und das macht Spaß." Hinzu komme: "Auch die Vereinsstrukturen unterscheiden sich von denen im Westen. In den neuen Bundesländern haben sich die Organisationen sehr verjüngt, es kommen viele junge Leute nach. So etwas belebt die Zucht und nur so kann es weitergehen."