Amtsgericht Bitterfeld Amtsgericht Bitterfeld: Prozess um Widerstand gegen Beamte?

Bitterfeld - Die Staatsanwaltschaft hat gegen den in Deutschland lebenden Nigerianer H. vor dem Amtsgericht Bitterfeld mehrere Anklagen wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt, Körperverletzung und Beleidigung erhoben. Um den Prozess einordnen zu können, muss man folgendes wissen: H. war 2012 und 2013 ein Organisator der lokalen Flüchtlingsproteste. Er wohnte mehrere Jahre in der Gemeinschaftsunterkunft Friedersdorf und hatte in dieser Zeit immer wieder die Lebensbedingungen für Asylsuchende in der Einrichtung öffentlich kritisiert.
Tätlicher Angriff auf Leiter der Gemeinschaftsunterkunft
Im April 2013 - so lautet eine der Anklagen - sollen die Auseinandersetzungen zwischen ihm und der Heimleitung so heftig gewesen sein, dass H. den Leiter der Gemeinschaftsunterkunft beleidigt und tätlich angegriffen haben soll. Der Angeklagte bestreitet den Vorwurf. Michael R. - Verantwortlicher in der Gemeinschaftsunterkunft - hat gestern bei seiner Zeugenaussage entschuldigt gefehlt. Er soll in der nächsten Woche, wenn der Prozess fortgeführt wird, aussagen.
Gegen H. werden indes weitere Vorwürfe laut. So soll er im Januar 2013 in einem Zug, der auf der Strecke zwischen Halle und Dessau unterwegs war, die Identitätsfeststellung durch zwei Bundespolizisten verweigert haben. Daraufhin ist es - so bestätigen es beide Seiten - zu einem Handgemenge gekommen, woraufhin H. kurzzeitig festgenommen wurde.
Um den Sachverhalt aufzuklären, sind die beiden Polizeibeamten Lars W. und Dennis P. vor das Amtsgericht geladen und getrennt voneinander befragt worden. Nach ihren Aussagen haben sie H. in dem Zug angesprochen. „Allerdings hat er nicht reagiert und uns ignoriert“, so Lars W. Nachdem man es mehrmals versucht habe, soll H. gesagt haben: „Lasst mich in Ruhe.“ Nach weiteren Ansprachen hätten die Beamten dann angekündigt, H. zu durchsuchen. Dieser sei daraufhin aufgestanden und habe mit seinen Fingern vor dem Gesicht von Dennis?P. gestikuliert. Als dieser die Hände seines Gegenübers herunterdrücken wollte, soll H. versucht haben, den Beamten mit seinem Ellenbogen gegen den Kopf zu stoßen. Dennis P. konnte dies abwehren. Dem Angeklagten sei der Arm auf den Rücken gedreht worden. Im weiteren Verlauf wurde H. - so der Sprachgebrauch der Polizei - „fixiert“.
Identität nicht einwandfrei festgestellt
Trotz der Papiere, die man bei H. fand, habe seine Identität aufgrund des Passbildes nicht einwandfrei festgestellt werden können. Nachdem der Zug in Bitterfeld hielt, sei er daher in einen bereitstehenden Mannschaftswagen der Polizei gebracht und nach Dessau gefahren worden. Es habe sich schließlich herausgestellt, dass die Papiere echt waren. Ein Test vor Ort ergab zudem, dass H. unter Alkoholeinfluss stand.
Diese Schilderungen verleiten den aus Berlin angereisten Strafverteidiger Ullrich von Klinggräff zu der Frage: „Was war eigentlich ihre Ermächtigungsrundlage für die Befragung im Zug?“ Nachdem ein Paragraf aus dem Polizeigesetz zitiert wird, entspinnt sich ein Dialog zwischen Klingräff und Lars W. „Gibt es eine Bürgerpflicht, solche polizeilichen Fragen zu beantworten“, will Klingräff wissen. „Nein“, antwortet der Polizist. „Warum haben Sie dann die Aussage meines Mandanten nicht respektiert“, hakt der Anwalt nach. „Es war ein Verdachtsmoment“, sagt Lars W. „Wie sah der genau aus“, will der Anwalt wissen. Nachdem er aus seiner Sicht keine zufriedenstellende Antwort erhält, meint er: „Was Sie sagen, heißt doch: Jede Person, die nicht kooperiert, ist verdächtig. Das ist doch absurd.“
Mit dieser Aussage wolle er hervorheben, dass es keine Rechtsgrundlage für die Befragungen seines Mandanten gegeben habe. Ob das Amtsgericht dem schlussendlich folgt, wird sich voraussichtlich bei der Verhandlung am 29. April herausstellen. (mz)