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Abriss am Kraftwerk Abriss am Kraftwerk in Bitterfeld: Wird Nähe zum Chemiepark auch für andere Häuser gefährlich?

Von Stefan Schröter 27.01.2017, 07:00
Das Wohnhaus in der Siedlung war erst vor wenigen Jahren saniert worden. Jetzt fiel es dem Abriss zum Opfer.
Das Wohnhaus in der Siedlung war erst vor wenigen Jahren saniert worden. Jetzt fiel es dem Abriss zum Opfer. André Kehrer

Bitterfeld - Die Nachbarn werden weniger. In der Straße Am Kraftwerk in Bitterfeld sind in den vergangenen Tagen zwei weitere Häuser abgerissen worden. Die Stadt hat die Grundstücke wegen ihrer Nähe zum Chemiepark aufgekauft und anschließend dem Erdboden gleichgemacht. Das sorgt für neue Unruhe im Norden der Kraftwerkssiedlung.

Denn Kompromissen und Zugeständnissen zum Trotz sorgen sich Anwohner weiter um ihr Eigentum: „Die rotten uns nach und nach aus“, fürchtet Annett Wielsch. Sie kennt den Bebauungsplan aus dem Jahr 2014, der den noch stehenden Häusern Bestandsschutz gibt. Die Vereinbarung sieht aber auch vor, dass die Stadt nach und nach Grundstücke an der Straße kauft, sobald sie die Gelegenheit dazu bekommt. Das geschieht jetzt Stück für Stück.

Gilt der Bestandsschutz weiter?

Nach Angaben der Bitterfeld-Wolfener Verwaltung ist mittelfristig der Abbruch von zwei weiteren Häusern vorgesehen. Bereits vor längerer Zeit verschwanden die Gebäude mit der Adresse Am Kraftwerk 2 sowie die dortige sogenannte Alte Schule. Und was ist, wenn in dem Wohngebiet hinter den Chemiepark-Zäunen bald keine 14 Familien mehr wohnen, sondern nur noch die Hälfte? Gilt dann der Bestandsschutz immer noch? Diese Fragen bewegen die Menschen vor Ort. „Je mehr abgerissen wird, desto mehr fragt man sich, wie es weitergeht. Wir müssen immer auf der Hut sein“, meint Wielsch.

Die Stadt Bitterfeld-Wolfen sieht das anders: „Der Verkauf durch die Einwohner erfolgt freiwillig“, erklärt Bitterfeld-Wolfens Sprecherin Katrin Kuhnt auf MZ-Anfrage. Die Stadt erinnerte daran, dass mit dem Kompromiss 2014 Sicherheit auf Seiten der Unternehmen und im Wohngebiet entstand. „Es wurde eine Lösung entwickelt, die endlich Ruhe einkehren ließ.“ Die Kommune arbeite jedoch auch darauf hin, dass die Unternehmen im benachbarten Chemiepark eines Tages wieder ohne Einschränkungen produzieren und Freiflächen genutzt werden können.

Zugeständnisse bei Lärm- und Immissionsschutz

Das geht erst, wenn in dem vorderen Bereich der Straße Am Kraftwerk niemand mehr wohnt. Bis dahin gelten Sonderbestimmungen für Unternehmen, die 300 Meter oder näher an den Wohnhäusern sitzen. „Um Konflikte und gegenseitige Wechselwirkungen und die damit verbundenen Gefahren ausschließen zu können“, schildert Sprecherin Kuhnt. Daher hätten die Unternehmen Zugeständnisse unter anderem bei Lärm- und Immissionsschutz machen müssen. Eines der Unternehmen produziert dort Flammschutzmittel auf Basis von Phosphor und Chlor. Dieser Betrieb unterliegt der Störfallordnung.

Angesichts der kommunalen Pläne mit dem Chemiepark wird sich das angrenzende Wohngebiet nicht weiterentwickeln können. Vor diesem Hintergrund schwindet der Mut, dort Geld in die eigenen vier Wände zu stecken. Ohnehin sind die Gestaltungsmöglichkeiten durch den geltenden Bebauungsplan limitiert. „Ich will noch etwas auf mein Haus draufsetzen. Dafür muss ich einen Bauantrag stellen. Es ist fraglich, ob das genehmigt wird“, sagt Frank Dähne. Der Bitterfelder wohnt noch außerhalb des B-Plan-Gebiets. Doch auch er sorgt sich als Anwohner der Straße Am Kraftwerk um seinen Handlungsspielraum. Annett Wielsch fürchtet auch um den Wert ihrer Immobilie. „Als Käufer bleibt nur die Stadt.“ (mz)