Abrechnung mit dem Vater
Roitzsch/MZ. - Mit einer Lesung aus seinen Publikationen "Der Vater. Eine Abrechnung" und "Meine deutsche Mutter" sorgte er zunächst für beklemmende Stille und dann für eine lebhafte Diskussion mit Schülern der zehnten Klassen.
Das zentrale Thema des Vormittags: die Feigheit. "Mein Vater war ein Mann, der immer auf der richtigen Seite stehen wollte", sagt Niklas Frank. "Als Anwalt hätte er jede Menge Chancen gehabt, in die innere Emigration zu gehen." Statt dessen wird Hans Frank von 1939 bis 1945 Generalgouverneur im besetzten Polen, ist maßgeblich an der Ermordung jüdischer Bürger beteiligt. Wie nun umgehen mit Eltern, die als "Schlächter von Polen" (Vater) und als selbst ernannte "Königin von Polen" (Mutter) bezeichnet werden?
Das hat vor allem auch die Schüler interessiert. Denn schwer vorstellbar solch ein biografischer Hintergrund, wenn man gerade 16 Jahre alt ist und ein ganz normales Leben lebt. Und so bewegten sich auch die Fragen tastend nach biografischen Details. Zu spüren war, wie die jungen Leute selbst nach Antworten suchten, wie schwierig es für sie war, den Begriff "Eltern" mit dem eben Gehörten zu verbinden. Zumal auch dies erst verdaut sein wollte - zum Beispiel Niklas Franks Gedanken über die Hinrichtung seines Vaters. Im Buch tritt er ihm gegenüber, spricht mit dem Toten, rechnet mit ihm ab. Wenn es je familiäre Bande gegeben haben sollte, dann sind sie längst für immer durchschnitten. Man ahnt den quälend langen Prozess.
Auch darüber wollten die Schüler etwas wissen. Und wie sich seine Erinnerungen zusammensetzten, da er doch erst sieben Jahre alt gewesen ist, als sein Vater hingerichtet wurde. Niklas Frank bekennt, mit der Mutter nie darüber gesprochen zu haben. "Sie verbreitete die Aura: Fragt mich nicht. Ich war so feige, dem zu unterliegen." Erst nach dem Tod der Mutter habe er seine Recherchen begonnen, die sich aus Kindheitserinnerungen, Dokumenten und Erzählungen von Bekannten und Verwandten zusammensetzen. Denn: "Um mich herum schwiegen die Deutschen über diese Zeit. Das hat mich immer wütender gemacht."
Ob er gern andere Eltern gehabt hätte oder ob er froh sei, aufklärend beizutragen mit seinen Büchern über die Nazizeit? "Ich hätte schon gern andere Eltern gehabt", sagt Niklas Frank. "Mit all dem kitschigen, gemütlichen, normalen Familienleben."
Von Roitzsch aus fuhr der Autor noch nach Köthen "Dann ist diese Lesereise zu Ende", sagt er. "Dann fahre ich zu meinem Bruder. Und wir werden wieder über den Vater reden, wie immer."