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Weihnachtsmarkt in Bernburg Weihnachtsmarkt in Bernburg: Leipzig und Halle sind kein Maßstab

05.12.2016, 15:21
Roland Reichelt ist der Geschäftsführer der Bernburger Freizeit GmbH (BFG).
Roland Reichelt ist der Geschäftsführer der Bernburger Freizeit GmbH (BFG). Archiv/Pülicher

Bernburg - Seit Jahren steht der Bernburger Heele-Christ-Markt im Kreuzfeuer öffentlicher Kritik. 2015 hat die von der Stadt mit der Organisation beauftragte Bernburger Freizeit GmbH (BFG) die Ausrichtung für fünf weitere Jahre an die Cottbusser Veranstaltungsagentur Coex vergeben. MZ-Redakteur Torsten Adam hat BFG-Geschäftsführer Roland Reichelt mit den Problemen konfrontiert.

Der inzwischen aufgelöste Bernburger Verkehrsverein organisierte über 20 Jahre lang ehrenamtlich den Markt. Mit der Vergabe an Coex war 2013 die Hoffnung verbunden, dass alles professioneller wird. Ist es denn auch besser geworden?

Roland Reichelt: Sicherlich gibt es immer Verbesserungsmöglichkeiten. Für jeden Veranstalter gibt es aber auch wirtschaftliche Zwänge. In Anbetracht der hohen Kosten von 40.000 bis 50.000 Euro für die Durchführung, welche über die Standmieten wieder erwirtschaftet werden müssen, bleibt zurzeit wenig Spielraum für größere Investitionen.

Dem Veranstalter nur eine Wunschliste vorzulegen, ohne eine Finanzierung sicherzustellen, funktioniert nicht. Hier müssen wir für eine noch attraktivere Ausgestaltung des Marktes, gemeinsam mit dem Veranstalter, nach Lösungswegen suchen.

Die Stadt kassiert von Coex für die vier Wochen Nutzungsgebühren für den Karlsplatz von insgesamt 1.145 Euro. Können diese nicht zweckgebunden in eine Aufwertung des Programms reinvestiert werden, wenn es schon keine öffentlichen Zuschüsse für den Markt gibt?

Reichelt: Diese Frage müssen Sie an die Stadt Bernburg richten. Haushaltstechnisch stelle ich mir das aber schwer vor. Wünschenswert wäre aber ein Zuschuss aus Kulturfördermitteln von der Stadt, für ein ansprechendes Kulturprogramm.

Die Kritik am Weihnachtsmarkt auf der MZ-Facebook-Seite ist zum Teil vernichtend, angefangen beim bemitleidenswerten Baum. Wieso wird solch eine eher unschöne Fichte extra aus Cottbus geholt, statt auf kostenlose Spendenangebote aus der Region zu setzen?

Reichelt: Wie in den vergangenen Jahren wurden die Tannen und Dekobäume bei einem Lieferanten von Coex bestellt. In der Vergangenheit klappte das sehr gut, hinsichtlich der Qualität gab es keine Probleme. Der Weihnachtsbaum in diesem Jahr ist nun wirklich keine Augenweide. Der Geschäftsführer von Coex ist darüber mindestens genauso verärgert wie die Bernburger.

Dies wird für den Lieferanten auch entsprechende Konsequenzen haben. Ärgerlich ist auch, dass nach Aufstellung des Baumes Jugendliche in der Tanne herumkletterten und mehrere Zweige abgebrochen haben. Durch viele Lichter vermittelt der Baum zumindest in den Abendstunden noch einen vertretbaren Anblick.

In der Vergangenheit wurden teilweise Angebote aus der Region genutzt. Um einen kostenlosen Baum zum Weihnachtsmarkt zu transportieren und fachgerecht aufzustellen, sind in den vorigen Jahren Kosten von jeweils rund 3.000 Euro entstanden (für Kran, Tieflader, Straßensperrungen, Polizeieinsatz zur Begleitung des Transports, Aufstell- und Entsorgungskosten).

Die Kosten für einen gelieferten Baum sind nur halb so groß, da dieser keine Überbreite hat und für die Verladung, den Transport und Aufstellung keine Spezialtechnik erforderlich ist. Wenn es große Tannen in Bernburg und Umgebung gibt, die frei zugänglich sind und die problemlos ohne Spezialtechnik geborgen werden können, können diese über die Stadtinformation Bernburg dem Veranstalter gern angeboten werden.

Mit dem Autoscooter hat Bernburg ein Alleinstellungsmerkmal, auf das andere Weihnachtsmarkt-Organisatoren gern verzichten. Gehören solche lärmenden Fahrgeschäfte nicht eher auf einen Rummel?

Reichelt: Fahrgeschäfte gehören schon seit Jahrzehnten zur Tradition auf Bernburger Weihnachtsmärkten und stellen ein Angebot für Kinder und Jugendliche dar, die nur deshalb den Markt besuchen. Über den Autoscooter lässt sich sicherlich streiten, aber fragen sie doch mal die Kinder und Jugendlichen, ob sie auf die Fahrgeschäfte verzichten möchten!

Das Händler-Angebot fernab von Speisen und Getränken vermittelt Besuchern nicht gerade das Gefühl, etwas Hochwertiges und Dekoratives erwerben zu können. Gibt es hier wirklich keine besseren Alternativen durch regionale Anbieter?

Reichelt: Wenn es bessere Alternativen gäbe, würden diese Händler auf dem Platz stehen. Wie Sie selbst in Ihrem Kommentar im August 2015 schrieben: „...mag es sicherlich stilvoll sein, sich an unzähligen Ständen, mit weihnachtlicher Handwerkskunst, ergötzen zu können. Doch was nutzt dies den weit gereisten Händlern, wenn sie nicht auf ihre Umsätze kommen, weil kaum jemand etwas kauft?

Letztlich sind sie nur schmückendes Beiwerk, weil die Besucher vornehmlich zum Glühweintrinken und Bratwurstessen auf den Markt kommen. Eine Auswertung des Vorjahres hatte genau das belegt – lediglich die Gastronomen waren zufrieden mit ihrem Geschäft. Schon wegen der Kaufkraft und des Einzugsgebietes wird sich Bernburg nie mit Großstädten wie Leipzig oder Halle messen können…“

Wenn in Bernburg die Buden zugemacht werden, wird es auf anderen Weihnachtsmärkten erst richtig heimelig. Halten Sie es für angemessen, dass insbesondere an Freitagen und Samstagen bereits ab 19 bzw. 20 Uhr geschlossen wird?

Reichelt: In einer Kleinstadt wie Bernburg sind diese Öffnungszeiten aus wirtschaftlichen Gründen für die Händler durchaus angebracht. Außer an den Glühweinständen wird später kein Umsatz mehr gemacht. Diese haben aber auch etwas länger geöffnet, wenn noch Kunden da sind.

Immer wieder werden Rufe laut, den Markt auf dem Schlosshof zu veranstalten, weil die Atmosphäre dort besser ist. Sie sagten bereits im Vorjahr, dass die Innenstadt-Händler das nicht wollen. Müssten sich die Gewerbetreibenden dann aber nicht selbst auch mehr einbringen, um den Markt vor der Tür zu behalten?

Reichelt: Das Schloss würde eine einzigartige Kulisse für einen Weihnachtsmarkt an einem Wochenende bieten. Für einen Markt über mehrere Wochen ist es aus wirtschaftlichen Gründen ungeeignet, da den Händlern wochentags die Laufkundschaft fehlen würde. Darüber hinaus ist der Schlosskomplex seit vielen Jahren eine Großbaustelle. Auch in den nächsten Jahren wird sich daran nichts ändern. Der Markt im Stadtzentrum ist seit Jahrzehnten eine Tradition in Bernburg, belebt die Innenstadt und ist für alle Gewerbetreibenden verkaufsfördernd.

Coex ist im Vorjahr von der BFG mit einem Fünf-Jahres-Vertrag ausgestattet worden. War diese lange Laufzeit angesichts des Eindrucks, dass der Markt nach dem vielversprechenden Start 2013 in diesem Jahr lieblos organisiert wirkt, ein Fehler?

Reichelt: Ihre subjektive Einschätzung, dass der diesjährige Markt lieblos organisiert wurde, kann ich nicht teilen. Er ist nicht schlechter als in den Vorjahren. Um einen Veranstalter zu animieren, in den Markt zu investieren, braucht er längerfristige Verträge, damit sich Investitionen auch rechnen.

Gibt es die Möglichkeit, aus dem Vertrag auszusteigen? In Halberstadt hatte der Stadtrat vor zwei Jahren ihn mit Coex nicht verlängert und sich einen anderen Veranstalter gesucht, weil die Stadtväter unzufrieden waren. Welche alternativen Einflussmöglichkeiten hat die BFG?

Reichelt: Die Frage einer Vertragskündigung stellt sich für mich nicht. Bernburg wird in Zukunft nur einen attraktiveren Markt haben, wenn möglichst viele Partner den Veranstalter bei der Organisation unterstützen. Da sind sowohl die Stadt, die Gewerbetreibenden, die zahlreichen Vereine, Privatinitiativen, Sponsoren aus der Wirtschaft und nicht zuletzt eine gute Öffentlichkeitsarbeit und Vermarktung gefragt. Dies sollte unser gemeinsames Ziel sein. Nur Meckerei hilft uns da nicht weiter! In Auswertung des diesjährigen Marktes werden wir mit dem Veranstalter über weitere Schritte, im nächsten Jahr, beraten.

Ein Vertreter des BFG-Aufsichtsrats muss im Februar 2017 dem Stadtrat Bericht erstatten über die Entwicklung des Heele-Christ-Marktes unter der nunmehr vierjährigen Coex-Regie. Wie wird das Fazit ausfallen?

Reichelt: Ich denke, dass sich der Aufsichtsrat Ihrer persönlichen Einschätzung aus dem Vorjahr anschließen wird, dass sich Bernburg für seinen Heele-Christ-Markt nicht zu schämen braucht. Empfehlungen und Anregungen des Aufsichtsrates und deren Umsetzung werden mit dem Veranstalter beraten. (mz)

In gleißend helles LED-Licht sind einige Verkaufsstände getaucht, die Adventsbeleuchtung (rechts) geht fast unter - so „stimmungsvoll" war der Heele-Christ-Markt 2016.
In gleißend helles LED-Licht sind einige Verkaufsstände getaucht, die Adventsbeleuchtung (rechts) geht fast unter - so „stimmungsvoll" war der Heele-Christ-Markt 2016.
Ute Nicklisch