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51.000 Euro minus Von 60.000 Euro blieben 8.500 übrig: Ehepaar aus Bernburg will wegen Verlust bei Geldanlage gegen Salzlandsparkasse klagen

Von Torsten Adam 27.06.2019, 07:56
Karola und Wolfgang Buro sind immer noch fassungslos. Die vermeintlich todsichere Geldanlage hat sich als Verlustgeschäft entpuppt.
Karola und Wolfgang Buro sind immer noch fassungslos. Die vermeintlich todsichere Geldanlage hat sich als Verlustgeschäft entpuppt. Engelbert Pülicher

Bernburg - „Wenn Sie mir versprechen, dass das 100 Prozent sicher ist, machen wir das.“ An die Worte, die sie an ihre Bankberaterin richtete, kann sich Karola Buro noch ganz genau erinnern. Zehn Jahre später ist die Seniorin immer noch fassungslos, was ihr passiert ist.

Die vermeintlich todsichere Geldanlage in Anleihen der mittlerweile insolventen Westfälischen Grundbesitz- und Finanzverwaltung (WGF) AG bei der Salzlandsparkasse hat das Bernburger Rentnerpaar fast um die gesamten Ersparnisse gebracht. Statt des erhofften Wertzuwachses sind von den 60.000 Euro 8.500 Euro übrig geblieben.

Die Familie erwägt deshalb, Klage gegen das Geldinstitut zu erheben – wegen mangelhafter Beratung. Es sind nicht die einzigen Kunden der Salzlandsparkasse, die ein solch finanzielles Desaster erlebten. „Eine niedrige zweistellige Anzahl von Kunden hat Anleihen der WGF erworben“, räumt Sprecher Stefan König gegenüber der MZ ein.

„Eine niedrige zweistellige Anzahl von Kunden hat Anleihen der WGF erworben“, sagt Stefan König von der Salzlandsparkasse

Die 75-jährige Verkäuferin Karola Buro und ihr drei Jahre älterer Mann Wolfgang, gelernter Eisenbieger, arbeiten zu DDR-Zeiten an der Erdgastrasse in der Sowjetunion. Und sparen den Verdienst für ihren Ruhestand.

Nach der Wende legt das Paar Geld in einem US-Aktienfonds an. Dessen Kurs steigt zwar, doch als im Jahr 2008 der Euro gegenüber dem Dollar deutlich an Wert verliert und damit auch der Fonds, suchen Buros nach einer konservativeren Anlagemöglichkeit.

„Meine Eltern fragten ihre langjährige Sparkassen-Beraterin nach einer sicheren Geldanlage“, erinnert sich Sohn Maik

„Meine Eltern fragten deshalb ihre langjährige Sparkassen-Beraterin, der sie voll vertrauten, nach einer 100-prozentig sicheren Geldanlage“, erzählt Sohn Maik Buro. Der 55-jährige Biendorfer begleitet seine Eltern zu den Gesprächen in die Sparkasse.

„Die Beraterin sprach von einer sogenannten mündelsicheren Anlage, dies sei die sicherste Anlage der Welt“, sagt er. Ein Verlust sei damit ausgeschlossen und zusätzlich gebe es 6,35 Prozent Zinsen. „Das klang alles sehr überzeugend, wir haben das wirklich geglaubt“, so Maik Buro.

Seine Eltern legen insgesamt 60.000 Euro in zwei Anleihen der WGF an. Sie erhalten nach eigenen Angaben weder ein Beratungsprotokoll noch ein Emissionsprospekt, in dem das Anlagerisiko, ein Totalverlust, beschrieben ist.

Es gab weder ein Beratungsprotokoll noch einen Prospekt zu der Geldanlage

Zwei, drei Jahre lang geht alles gut, werden die versprochenen Zinsen ausgeschüttet. Plötzlich bleiben sie aus. Im Dezember 2012 ist die Immobilienfirma pleite. Medien sprechen später von einem „Schneeballsystem“, bei dem immer wieder neue Anleihen herausgegeben wurden, um mit dem Kapital ältere Gläubiger zu bedienen.

Der Vorstand führt das Insolvenzverfahren zunächst in Eigenregie – erfolglos. Vier Jahre später übernimmt ein externer Verwalter das Kommando, ist immer noch mit der Abwicklung der Firma beschäftigt. Wie viel Geld er durch die Veräußerung des Immobilienbestandes noch für die Anleger retten kann, ist offen. Familie Buro hat bislang rund 8.500 Euro erhalten.

Verbraucherzentrale warnt vor dem irreführenden Begriff „mündelsicher“

Maik Buro ist überzeugt, dass die Sparkassenberaterin „uns nichts Böses wollte“. Dennoch hält er seine Eltern nicht für ausreichend aufgeklärt. Tatsächlich ist der Begriff „mündelsicher“ irreführend, warnt die Verbraucherzentrale.

Eigentlich muss bei dieser Anlageform laut Paragraf 1807 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein Verlust ausgeschlossen werden, wie in Bundesschatzbriefen, Tages- oder Festgeldkonten mit ausreichend hoher Einlagesicherung. Allerdings haben mehrere Familiengerichte in der Vergangenheit auch riskantere Anlagen als „mündelsicher“ eingestuft – eben auch die WGF-Anleihen.

Das Unternehmen nutzte diese Gerichtsentscheide, um am Kapitalmarkt aggressiv für seine Anleihen zu werben. Vermittelnden Banken und Sparkassen wurden hohe Provisionen in Aussicht gestellt. Die Düsseldorfer Anwaltskanzlei Dittke, Schweiger, Kehl spricht in der „Welt“ von vier Prozent.

Salzlandsparkasse bestreitet, vier Prozent Provision für WGF-Anleihen bekommen zu haben

Die Salzlandsparkasse bestreitet zwar, Bonifikationen in dieser Höhe erhalten zu haben, allerdings nicht, an der Vermittlung der Anleihen mitverdient zu haben. Ansonsten gibt sich das Geldinstitut zugeknöpft. Ein MZ-Fragenkatalog zum Fall Buro bleibt mit Hinweis auf das Bankgeheimnis unbeantwortet.

Und auch als die MZ eine Vollmacht der Familie für dessen Aufhebung anbietet, teilt Sprecher König mit: „Wir werden auf die zugrunde liegende Geschäftsbeziehung zur Familie Buro nicht näher eingehen.“

Salzlandsparkasse antwortet trotz Vollmacht der Familie nicht auf Anfragen der MZ

Eine außergerichtliche Einigung hat die Sparkasse nach Angaben des Familienanwalts Michael Künzel aus Erfurt wegen angeblicher Verjährung abgelehnt. Er sieht die Rechtslage anders. Buros hätten immer wieder in der Filiale vorgesprochen, seien dort beschwichtigt worden.

Konkret kritisiert der Anwalt die Sparkasse, weder über das Anlagerisiko aufgeklärt noch das vorgegebene Anlageziel beachtet zu haben. Bereits aus dem nicht ausgehändigten Prospekt hätte die Beraterin die schlechte Bonität „BBB-“ der WGF erkennen und darüber informieren müssen.

Bundesweit haben Kanzleien inzwischen Banken verklagt, konnten zum Teil für ihre Mandanten Vergleiche abschließen. Maik Buro hofft, wenigstens einen Teil des Geldes auf dem Gerichtsweg für seine Eltern retten zu können. „Sie haben sich kaum etwas gegönnt, immer nur gespart. Meinem Papa geht es gesundheitlich nicht so gut, er soll noch was von seinem Leben haben“, sagt er.

Plagte  die Beraterin der Salzlandsparkasse ein schlechtes Gewissen?

Merkwürdig am Bernburger Fall erscheint eine Begebenheit vom 24. Mai 2017: Es ist der letzte Arbeitstag der Sparkassenberaterin vor dem Ruhestand. „Sie hat mich an diesem Tag in die Filiale gebeten. Ich sollte mein Sparbuch mitbringen“, erinnert sich Karola Buro. „Als ich bei ihr war, nahm sie einen Briefumschlag aus der Schublade, ging mit meinem Sparbuch zum Schalter und zahlte 3.000 Euro in bar ein.“

Sie habe gesagt, dass das Geld aus ihrer eigenen Vermögensanlage stammt, das müsse niemand wissen. „Mir wurde erst hinterher bewusst, dass etwas faul an der Sache ist.“ Sohn Maik Buro glaubt, dass die Beraterin das schlechte Gewissen plage und sie so versucht habe, wenigstens einen kleinen Teil des Schadens wiedergutzumachen.

Maik Buro sucht weitere Sparkassenkunden, die durch WGF-Anleihen Geld verloren haben. Sie können mit ihm Kontakt aufnehmen unter Telefon 0163/6 67 41 07. (mz)