Tag des Handwerks in Bernburg Tag des Handwerks in Bernburg: Nur wenige erkennen den goldenen Boden

bernburg - Die Eltern von Cindy Lamprecht aus Köthen und Christina Höfner aus Gerbstedt wollten sich den feierlichen Moment nicht entgehen lassen: Am Samstagmittag sind die beiden 20-Jährigen nach dreijähriger Ausbildung bei der Bernburger Bäckerei Steinecke anlässlich des zum vierten Mal bundesweit begangenen Tag des Handwerks freigesprochen worden. Seit Monatsanfang sind die beiden jungen Frauen schon in der Produktion des Unternehmens beschäftigt, nun haben sie auch ihren Gesellenbrief in der Tasche.
Allerdings stieß die kleine Feierstunde im Festzelt auf dem Bernburger Karlsplatz nicht bei allen 18 Junggesellen aus der Kreishandwerkerschaft Anhalt-Bernburg/Köthen auf das dem feierlichen Anlass gebührende Interesse. Einige waren nicht erschienen.
Grundsätzlich ist mangelndes Interesse eines der großen Probleme des deutschen Handwerks. Da bilden die rund 300 Mitgliedsbetriebe der hiesigen Kreishandwerkerschaft keine Ausnahme. Nach Angaben von Kreishandwerksmeister Fred Reimer, der selbst in Bernburg einen Malerbetrieb führt, falle es zunehmend schwerer, geeignete Schulabgänger zu begeistern: „Neben den handwerklichen Tätigkeiten ist auch Köpfchen gefragt, weil sich vieles spezialisiert hat. In vielen Bereichen geht es nicht mehr ohne Computer.“ Von vielen jungen Leute werde eine Ausbildung im Handwerk leider nur als Notlösung angesehen, weil sich nur die wenigsten die Hände schmutzig machen wollen. Fred Reimer zufolge seien bundesweit rund 28 000 Lehrstellen unbesetzt.
Dabei habe der Spruch „Handwerk hat goldenen Boden“ nichts an seinem Wahrheitsgehalt verloren, betonte Karin Pfeiffer, Fachdienstleiterin für Bauen, Umwelt und Kreisentwicklung im Landratsamt, in ihrer Eröffnungsrede zum Handwerkertag, der in diesem Jahr unter dem Motto stand „Können kennt keine Grenzen“. Das Handwerk schaffe Arbeitsplätze und biete jungen Leuten eine berufliche Perspektive in der Region. So betonte auch Oberbürgermeister Henry Schütze, dass die fünf Millionen Handwerker in Deutschland das Rückgrat der Wirtschaft bilden. „Ohne Handwerk geht nichts, es gäbe gar kein Stadtbild und auch die Industrie ist auf die Serviceleistungen angewiesen.“ Und natürlich die Menschen selbst, wie dem Stadtoberhaupt spätestens beim Friseur-Besuch am Vortag bewusst wurde. Schütze hofft, dass das Campus Technicus ein Bildungsprojekt ist, das Früchte trägt, um dem Handwerk geeignete Nachwuchskräfte bereit zu stellen.
Während des Aktionstages präsentierten sich diverse Branchen auf dem Karlsplatz. Wie etwa die Köthener Kaffeerösterei Hannemann, die ihre Spezialitäten in einem roten B 1000 anbot. Dem kleinen Unternehmen ist es gelungen, sich gegenüber der Industrie-Konkurrenz am Markt zu behaupten, weil Verbraucher heutzutage gerade im Lebensmittelbereich immer mehr regionalen Produkten als der schnöden Industrieware vertrauen. Nicht nur dieses Beispiel zeigt: Das Handwerk hat eine Zukunft! (mz)