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Stadtrundgang in Bernburg Stadtrundgang in Bernburg: Rathaus ohne Stadtwappen

Von susanne schlaikier 31.08.2015, 20:56
Joachim Grossert erzählte wieder sehr lebendig Wissenswertes zur Stadtgeschichte. Diesmal standen das Schloss und die Schlossstraße im Mittelpunkt.
Joachim Grossert erzählte wieder sehr lebendig Wissenswertes zur Stadtgeschichte. Diesmal standen das Schloss und die Schlossstraße im Mittelpunkt. engelbert pülicher Lizenz

Bernburg - Anfangs so schien es, war Joachim Grossert fast ein bisschen enttäuscht. Auf den ersten Blick hatte er nämlich deutlich weniger Teilnehmer an seiner diesjährigen Straßenführung ausgemacht als in den Jahren zuvor. Wenn es weniger als 50 Zuhörer würden, würde er seine Stadtrundgänge nicht mehr anbieten, kündigte er an. Das wiederum sorgte bei den Anwesenden für Äußerungen des Bedauerns.

Doch davon war Grossert, Mitglied im Verein für Anhaltische Landeskunde, am Freitag weit entfernt. Wieder waren es nämlich über 80 interessierte Zuhörer, die seinem inzwischen 9. launigen Vortrag zur Stadtgeschichte lauschen wollten.

Diesmal war das Areal, anders als sonst, äußerst begrenzt, denn es sollte vorrangig um die Schlossstraße und das Schloss selbst gehen. „Sie kennen dieses Gebiet natürlich in- und auswendig“, meinte Grossert zu den Anwesenden. Jedoch hatte er wie immer interessante Details aus der Geschichte zu berichten, die gewiss nicht jedem geläufig waren. Die Führung begann in der Schloßgartenstraße, der früheren Fürstinnenstraße. Das heutige Rathaus ist erst 1895 gebaut worden:

Am 6. Januar 1894 hatte nämlich der Johann-Georg-Bau des Schlosses, wo bis dahin die Kreissparkasse und die Kreisverwaltung untergebracht waren, gebrannt. Innerhalb von 18 Monaten ist dann das heutige Rathaus errichtet worden. Das Geld dafür war dank der Sparkasse vorhanden. Der neoklassizistische Neubau habe das Domänengelände, auf dem bis dahin eher schlichte Gebäude gestanden hatten, aufgewertet, so Grossert.

Und während die Sparkasse bis 1953 ihren Sitz im heutigen Rathaus hatte, ehe sie an den Standort in der Friedensallee umzog, blieb die Kreisverwaltung noch sechs weitere Jahre in dem Gebäude. Erst 1959 zog sie in die ehemalige Karlskaserne, die Stadtverwaltung im Gegenzug ins jetzige Rathaus.

Zur Geschichte des Schlosses gehört auch die der Bären. Bis 1990 wurden diese laut Joachim Grossert noch in einem Zwinger gehalten. Zum 1. Sachsen-Anhalt-Tag 1996 ist dann das Bärengehege eingeweiht worden.

Der Anhalt-Bernburger Premierleutnant Robert Hermann Steinkopff hatte 1858 einen jungen Braunbären aus Russland mit in das kleine Herzogtum gebracht und schenkte ihm dem Kreisdirektor Emil Bunge, Sohn des Baurats Johann August Philipp Bunge. Für seine Töchter Anna und Tally war der Bär, der auf den Namen „Lazi“ hörte, zunächst ein Spielkamerad, doch je älter er wurde, desto gefährlicher wurde er für sein Umfeld.

Spätestens, nachdem „Lazi“ auf dem Hof der Kreisdirektion ein Huhn gefangen und verspeist hatte, musste er weg. Schließlich zeigte sich Herzogin Friederike wohlwollend und ließ einen Bärenzwinger am Schloss bauen. (sus)

Das ist vielleicht auch der Grund dafür, weshalb nicht das Wappen der Stadt am Rathaus hängt, sondern nach Informationen von Grossert das anhaltische und das askanische Wappen der Herrschaft Bernburg. Es gebe wohl kaum eine Stadt, wo das Stadtwappen nicht am Rathaus ist, meinte der Stadtführer und machte noch auf eine Besonderheit am Rathaus aufmerksam, die erst beim genauen Hinsehen auffällt: An der linken Seite ist das Portal aus einem alten Güstener Herrenhaus eingebaut worden. „Das ist ein Stück echte Renaissance aus Güsten“, so Grossert.

Vom Rathaus ging es ein paar Schritte weiter zum Theater, das nach Entwürfen von Johann August Philipp Bunge (1774-1866) errichtet wurde. Der Architekt, auf den zahlreiche markante Gebäude in Bernburg zurückgehen, war indes nicht nur der Schöpfer des Theaters, sondern über mehrere Jahre auch dessen Leiter (die MZ berichtete kürzlich). Wobei, so schränkte Grossert ein, das heutige Aussehen des Schauspielhauses auf den Berliner Architekten Eduard Tietz (1819-1890) zurück geht.

Der habe - als eine der auffälligsten Veränderungen - an dem klassizistischen Gebäude die beiden Säulen an der Fassade eine Etage nach oben gesetzt. Auch anderweitig hat Tietz seine Spuren hinterlassen. Dennoch: „Ohne Bunge hätten wir kein Theater“, betonte Grossert - und verwies auch noch kurz auf die Mauer um die Schlosskirche schräg gegenüber. Auch die stammt von Bunge. Ursprünglich hätten dort auch zwei Pavillons gestanden, von denen aber heute nur noch einer übrig ist. Das Wohnhaus von Bunge ist ebenfalls nicht weit entfernt: in der Theaterstraße.

Weiter ging die Führung zur früheren Reithalle, der heutigen Kunsthalle, im Rathaus III. Diese war in den Jahren 1919 bis 1923 von Regierungsbaurat Hans Wendler zum Verwaltungsgebäude umgebaut worden, die heutige Kunsthalle war einst ein schmucker Kreistagssaal mit Kassettendecke. Bemerkenswert in dem Gebäude war auch die Farbgestaltung, die der Hallenser Richard Degenkolbe konzipiert hatte.

Und schließlich führte der Weg zum Schloss. In der heutigen Musikschule, in der ab 1879 das Gefängnis untergebracht war - die Bernburger Linie der Askanier war zu dieser Zeit bereits erloschen-, zeigte Stadtchronist Joachim Hennecke eindrucksvolle Fotos des Langen Hauses des Schlosses: Es waren Außenaufnahmen der Leuchte , die derzeit saniert wird, und weitere Bilder vom bedauernswerten, maroden Zustand im Inneren des Bauwerks. Diese haben deutlich vor Augen geführt, warum es unmöglich ist, die Räume mit einer ganzen Besuchergruppe - so wie von Joachim Grossert bei der Stiftung Dome und Schlösser als Eigentümer angefragt - zu betreten. Es wäre viel zu gefährlich. Doch auch schon die zahlreichen Fotos von Hennecke, der als Stadtchronist ausnahmsweise in regelmäßigen Abständen die Baustelle im Schloss betreten darf, vermittelten einen guten Eindruck.