Kassenbons für die Tonne Seit Januar geltende Pflicht zum Kassenbon sorgt für Frust bei Bäckern in Bernburg: Ein Brötchen und ein Stück Papier

Bernburg/Alsleben - Zwei Würstchen und ein Stück Papier. Ein Brötchen und ein Stück Papier. Eine Kugel Eis und ein Stück Papier. Auch wer nur mal eben einen Snack zwischendurch möchte, bekommt im neuen Jahr den Kassenbon dazu. Dazu verpflichtet seit dem 1. Januar das so genannte Kassengesetz des Bundes alle Unternehmen, die eine elektronische Kasse benutzen.
„Nicht ein Einziger wollte heute den Kassenbon“, sagt Kerstin Hüßle von der Bäckerei Hüßle in Alsleben. Sie habe lediglich einen Bon für ein Kind ausgedruckt, das ihn unbedingt wollte.
Die Änderung des Kassengesetzes gilt für Bäckereien, Imbissbuden, Taxis und Eisverkäufer
Zum neuen Jahr muss die Bäckerei aber jedem Kunden einen Kassenbon ausstellen - ähnlich wie im Supermarkt. Steuerbetrug soll so erschwert, das Bargeldgeschäft für die Behörden nachvollziehbarer gemacht werden. Betroffen sind etwa auch Imbissbudenbesitzer, Taxianbieter und Eisverkäufer - oder eben Bäckereien.
In der Traditionsbäckerei Hülße, die vor mehr als 100 Jahren gegründet wurde, werde noch heute ein Kassenbuch geführt, erzählt Kerstin Hülße. Sie hält nichts von der Kassenbon-Pflicht. Für sie sei das zusätzlicher Stress, meint sie. Besonders an Samstagen, wenn besonders viele Kunden kommen und nur eine Verkäuferin im Laden steht. „Die Kunden stehen hier noch an für die heißen Brötchen.“
Obendrein kritisiert sie die zusätzliche Belastung für die Umwelt: „Auf der einen Seite sollen die Menschen Plastikmüll vermeiden“, meint Hüßle. Auf der anderen Seite sorge man mit dem neuen Gesetz dafür, dass künftig viel mehr Papier-Müll produziert wird.
Wie passt die Pflicht zum Kassenbon zur Politik der Müllvermeidung?, fragt sich Kerstin Hülße
Auch in der Frische-Bäckerei Sven Latsch in Baalberge möchte „niemand einen Bon“ - außer Kunden, die größere Mengen Brot, Brötchen oder Kuchen in dienstlichem Auftrag kaufen, sagt Inhaberin Ramona Latsch.
Würden die 65 Verkäuferinnen in allen 13 Filialen der Bäckerei ihren Kunden - rund 2.000 seien es pro Tag - einen Bon ausdrucken, werde damit „eine enorme Menge Papier verbraucht und jede Menge Müll produziert“, ist sich die Inhaberin sicher. Dazu kommt: Das Thermopapier der Kassen sei schlecht abbaubar, „und nach einem bis zwei Jahren sehen Sie da kaum noch etwas“.
Ramona Latsch hat deshalb beim Finanzamt eine Ausnahmegenehmigung beantragt – ob die Sachbearbeiter in Bitterfeld-Wolfen sie gestatten, muss sie abwarten. Übrigens: Sollte es in der Bäckerei einmal eine Reklamation geben, werde die auch ohne Bon geregelt, betont Ramona Latsch: „Wir kennen nämlich unsere Ware.“ Die neuen Kassensysteme, die auch Bons ausdrucken, hatte man wegen der Auflagen des Finanzamts übrigens schon vor rund drei Jahren eingeführt.
Friseurmeister Detlef Müller möchten seine Kunden gern selbst entscheiden lassen, ob sie einen Bon haben wollen oder nicht
So weit ist Detlef Müller, Inhaber des Friseursalons D&D Müller in Bernburg noch nicht. Er habe die dafür nötige Umrüstung seiner Kasse nach eigenen Angaben zwar schon beauftragt, sie sei jedoch noch nicht eingerichtet. „Ich brauche ein System, das den Kunden die Wahl lässt, einen ausgedruckten Beleg zu bekommen – oder eben nicht.“
In den Filialen der Fleischerei Kipper in Alsleben und Bernburg seien alle Verkäuferinnen angehalten, „jedes Wiener Würstchen“ mit einem Bon zu verkaufen. „Falls es mal Reklamationen gibt“, wie Inhaber Hagen Kipper der MZ erklärt.
Der Fleischermeister erinnert sich, dass es dazu 2017 ein Rundschreiben vom Finanzamt gegeben habe, alle Kassen so auszurüsten, dass bei Steuerprüfungen sämtliche Umsätze elektronisch auslesbar seien, was die Möglichkeit des Ausdruckens von Kassenbons einschließe. Zuletzt wollte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) das Kassengesetz kippen - ohne Erfolg. (mz)