Neues Buch über Bernburg Neues Buch über Bernburg: Vom Beginn der Saalemühle und der Papierfabrik

Bernburg - Ein Geldschrank mit Vakuumverschluss, eine Maschine zur Herstellung von Metallknöpfen, ein ballonförmiger, unten geschlossener Fliegenfänger - August Kohlweyer muss ein sehr kreativer und geschäftstüchtiger Mann gewesen sein. Denn gleich mehrere Patente hat Kohlweyer um die Jahrhundertwende angemeldet. Nachzulesen ist das in einem neuen Bildband des gebürtigen Bernburgers Dieter Gerst, der sich dem „Arbeitsleben in Bernburg“ widmet und der im Sutton-Verlag erschienen ist. Gerst betrachtet darin die Ära zwischen 1850 und dem Ende der DDR. „Der Anstoß zur Belebung der Bernburger Wirtschaft wurde von der Landwirtschaft gegeben“, schreibt der Autor einleitend. Denn die Zuckerrübe fand in dem schweren, fruchtbaren Boden in der Gegend beste Bedingungen zum Wachsen. In der Folge nahmen gleich mehrere Zuckerfabriken ihren Betrieb auf.
Eingangs erwähnter August Kohlweyer war aber nicht nur Erfinder, sondern auch Eigentümer einer Waagen- und Pumpenfabrik - zunächst in der Bahnhofstraße 13, später in der Alexanderstraße 31, wo er mehr Platz zur Verfügung hatte. „Die Erzeugnisse fanden im In- und Ausland, z.B. bis Südwestafrika und Brasilien, guten Absatz“, heißt es dazu in dem Buch. Die Fabrik Kohlweyers existiert schon lange nicht mehr.
Genauso wie viele andere Betriebe und Geschäfte, die Gerst auf über 160 Fotografien in dem 128-seitigen Band zeigt. Darunter beispielsweise die Weigelsche Schokoladenfabrik, die sich zunächst im Saalweg, später in der Halleschen Straße befand. 1945 sei der Inhaber Richard Weigel von den Amerikanern festgenommen worden, schreibt Dieter Gerst in seinem Buch. Die Produktion sei jedoch noch bis Mitte 1948 unter seinem Namen weiter gelaufen. Sechs Jahre später begann übrigens an dieser Stelle das VEB Serumwerk seine Produktion von Arzneimitteln, besonders für die Veterinärmedizin - immerhin ein Werk, das auch noch heute erfolgreich Arzneimittel herstellt.
Bernburg besaß einst auch eine Parfümeriefabrik (in der Friedrichstraße 25), eine Licht- und Seifenfabrik (Breite Straße 4, später 1), eine Gummifabrik (Auguststraße 27) sowie eine Rohrwarenfabrik (Krumbholzstraße 13, später Schulweg in Waldau), die Korbmöbel anfertigte. Als Spezialität warb die Firma für ihre Hundetransportkörbe. Vermutlich werden sich nur noch ältere Bernburger an jene Rohrwarenfabrik von Calm und Alfeld und an viele andere, in dem Buch aufgeführte Betriebe erinnern. Gleichwohl blickt das Buch auch zurück auf die Anfänge der großen Betriebe, wie die Solvay-Werke, die 1883 mit der Herstellung von Soda begannen, sowie die Salzförderung im Schacht Bernburg, der 1912 geteuft wurde. Wenn auch die Produktion längst eingestellt wurde, so prägen doch auch die Gebäude der ehemaligen Saalemühle und der Papierfabrik an der Saale das Stadtbild.
Aber auch den Betrieben im Bernburger Umland widmet Dieter Gerst ein Kapitel in seinem Buch, wie etwa die Firma Erfurt in Beesenlaublingen, einer Haar- und Borstenzurichterei, oder dem VEB Galvano in Ilberstedt, der sich auf Oberflächenveredelung spezialisiert hatte.
Für heimatgeschichtlich interessierte Bernburger lohnt sich das Blättern in diesem Bildband sicher. Es enthält neben zahlreichen Schwarz-Weiß-Aufnahmen jeweils kurze Texte zur Erläuterung. Und so mancher ehemalige Mitarbeiter erkennt sich womöglich auf einem der Fotos, die die Belegschaft bei der Arbeit zeigen, wieder. Ein bisschen schade ist lediglich, dass man bei vielen Betrieben und Geschäften nicht erfährt, wann ihre Firmengeschichte endete. Auch andere kleine Details, wie der Grund für die Verhaftung des Schokoladen-Fabrik-Besitzers, fehlen. Doch im Wesentlichen stellt es die Arbeitswelt über rund anderthalb Jahrhunderte anschaulich dar.
Der Bildband „Arbeitsleben in Bernburg“ in alten Fotografien von Dieter Gerst ist im Sutton-Verlag erschienen und kostet 19,99 Euro. (ISBN: 978-3-95400-721-9)
(mz)