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Multicar M21  Multicar M21 aus Bernburg: Ralph Köbbel hat einen Stehplatz in der Diesel-Ameise

Von Katharina Thormann 17.10.2017, 07:55
Ralph Köbbel aus Bernburg besitzt ein Nutzfahrzeug der besonderen Art. Hier geht es nur im Stehen voran.
Ralph Köbbel aus Bernburg besitzt ein Nutzfahrzeug der besonderen Art. Hier geht es nur im Stehen voran. Engelbert Pülicher

Bernburg - Es ist immer dieselbe Frage, die auf der Stirn von Passanten steht, wenn Ralph Köbbel aus Bernburg mit seinem Multicar M21 gemütlich durch den Bernburger Ortsteil Roschwitz tuckert: Wie lenkt er das Ding bloß? Ganz einfach. Der 56-Jährige muss nur sein Gewicht auf die linke oder rechte Seite seines Fußtritts verlagern und die Dieselkarre, wie sie einst genannt wurde, gehorcht „aufs Wort“.

MZ-Serie „Abgefahren“: Und jeder dreht sich um

Das war schon immer so. Denn Köbbel kennt dieses ungewöhnliche Gefährt, nach dem sich alle umdrehen, und das ohne Lenkrad auskommt, noch aus Kinderzeiten.

„Mein Opa hat so eins 1961 gekauft. Damals bin ich mit seinen Angestellten zur Arbeit auf der Ladefläche immer mitgefahren“, erinnert sich der Handwerksmeister.

Viele Jahre war das im Volksmund Ameise genannte Multicar ein treuer Begleiter auf den Baustellen des traditionellen Dachdeckerbetriebs der Familie. „Damit haben wir alles transportiert“, sagt Köbbel.

MZ-Serie „Abgefahren“: Die lange Suche im Internet

Doch zu Wendezeiten musste das Gefährt seinen Dienst quittieren. „Mein Vater hat es dann verschrotten lassen“, erzählt Köbbel. So richtig losgekommen ist er dann aber nicht mehr von dieser motorisierten Kindheitserinnerung.

Lange hat er deshalb im Internet nach genau so einem Multicar gesucht. Vor drei Jahren wurde er in Thüringen fündig. Bei einer Familie, die die Ameise zwei Jahrzehnte lang in einer Scheune deponiert hatte.

„Mit meinem Sohn habe ich sie erstmal aus der Scheune gezerrt“, erzählt Köbbel von der abenteuerlichen Überführungsfahrt. Natürlich war der Sechs-PSer, der bis zu 15 Kilometer pro Stunde schafft, zunächst verständlicherweise nicht fahrbereit.

MZ-Serie „Abgefahren“: Ausbildung kam am Ende noch zugute

Stattdessen musste Köbbel selbst Hand anlegen. Da kam ihm seine einstige Ausbildung zum Kfz-Mechaniker wie gerufen. Inzwischen läuft das beliebte Nutzfahrzeug der 1950er und 1960er Jahre wieder wie geschmiert.

Insgesamt 14.000 Exemplare sind zwischen 1956 bis 1964 in fünf verschiedenen Ausführungen im VEB Fahrzeugwerk Waltershausen vom Band gerollt.

Köbbels Ameise war mit Baujahr 1957 eine der ersten und ist mittlerweile eine echte Rarität auf den Straßen - wenngleich sich der ein oder andere Bernburger noch an die Ameise der Köbbels erinnern kann.

„Als mein Nachbar die Nachgekaufte sah, fragte er mich gleich: Wo hast du sie so lange versteckt?“, erzählt der Handwerksmeister.

Immer wieder wird Köbbel auch zugewunken und von älteren Bernburgern angesprochen, die sich noch genau an den Multicar von früher erinnern konnten.

MZ-Serie „Abgefahren“: Ameise ist nur bei Oldtimertreffen zu bestaunen

Doch damit werden heutzutage keine Leitern, Mitarbeiter oder gar Dachziegel transportiert. Dafür hat die Handwerksfamilie inzwischen modernere und leistungsfähigere Technik.

Die Ameise kommt nur noch bei Oldtimertreffen, wie bei Pneuhage in Bernburg oder zum Erntefest in Strenzfeld, an die frische Luft - auch zur Freude der Enkel. Sie schauen begeistert zu, wenn der Opa die Dieselkarre vorglüht.

Ob sich Ralph Köbbel noch weitere historische Ameisen, Eidechsen oder ein anderes „Kriechtier“ zulegen möchte? Eindeutig „Nein!“ Denn Sammler möchte er nicht werden. Dafür wäre auch viel zu wenig Zeit.

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Die MZ-Serie „Abgefahren“ widmet sich ungewöhnlichen Fahrzeugen im Altkreis Bernburg. Haben Sie auch ein außergewöhnliches Fahrzeug in Ihrer Garage stehen? Dann melden Sie sich per Telefon unter: 03471/65 20 212 oder per E-Mail unter folgender Adresse: [email protected]. (mz)

Ein Blick in den Motorraum der Ameise.
Ein Blick in den Motorraum der Ameise.
Engelbert Pülicher