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Mit Kinderbetreuung! Kulturzentrum Hotel Wien Bernburg: Abiturienten vom Gymnasium Carolinum geben Flüchtlingen Sprachunterricht

Von Susanne Schlaikier 07.08.2018, 11:54
Simon Schulz übt mit Ninmo Omar am Flippchart die Präpositionen.
Simon Schulz übt mit Ninmo Omar am Flippchart die Präpositionen. Engelbert Pülicher

Bernburg - Warum heißt es nur „größer als“ und nicht „größer wie“? Wie wird das Adjektiv kalt gesteigert? Und warum heißt es kälter und nicht kalter? „Die deutsche Sprache ist sehr schwer“, sagt Asri Elmi Ahmed aus Somalia.

Vor rund anderthalb Jahren ist sie nach Deutschland gekommen. Noch bis vor wenigen Wochen hat sie kein Wort Deutsch gesprochen. Inzwischen klappt es von Tag zu Tag besser. Genauso ist es bei Qadan Ahmednormusse. Sie kam vor etwa einem Jahr aus Somalia nach Deutschland.

Qadan Ahmednormusse kam vor einem Jahr aus Somalia

Die beiden jungen Frauen wollen die deutsche Sprache unbedingt lernen und kommen daher täglich ins Kulturzentrum Hotel Wien. Aufmerksam hört Asri Richard Justin Schenk zu und notiert sich Beispielsätze. Der 18-Jährige erklärt geduldig die Regeln der deutschen Sprache am Flipchart.

Justin erklärt die Regeln der deutschen Sprache

Immer wieder laufen kleine Kinder weinend durch den Raum - doch der junge Mann, der im Sommer sein Abitur am Gymnasium Carolinum abgelegt hat, lässt sich davon nicht stören.

An einem zweiten Flipchart behandelt Simon Schulz mit einer zweiten Gruppe Präpositionen. Mit einer einfachen Zeichnung, einem Strichmännchen und einem Baum, versucht er zu erklären, was „neben“ und was „unter“ einem Baum stehen bedeutet.

Nicht immer sei es einfach, die deutsche Sprache zu erklären, sagt Simon. Denn selbst Muttersprachler hätten mit deren Tücken zu kämpfen. Doch am Ende würde sich immer eine Antwort finden.

Abiturienten könnten eigentlich ihre Ferien genießen

Eigentlich könnten Richard und Simon ihre Ferien genießen und Urlaub machen. Aber die beiden jungen Männer und drei weitere ehemalige Schulkameraden nutzen ihre freie Zeit, um Frauen aus Syrien, Somalia und Eritrea seit Anfang Juli täglich ehrenamtlich Deutschunterricht zu geben.

Einige haben zuvor schon einen Kurs gemacht, andere noch nicht. Das Niveau zu Beginn war also sehr unterschiedlich. Oft bringen die Frauen ihre Kinder mit. Diese werden für gewöhnlich nebenan im „Spielzimmer“ betreut. Kuscheltiere liegen auf dem Boden, etwas zum Malen steht auf einem Tisch.

Künftiger Lehramts-Student Peter sammelt Erfahrungen

„Eigentlich ist hier sonst einiges los“, sagt Peter Jünger, der die Kinder normalerweise beschäftigt. Doch an diesem Tag wollen sie lieber bei ihren Mamas sein. Jünger wollte die Zeit bis zum Studium sinnvoll verbringen, daher habe er sich entschieden, neben seinem Ferienjob in einer Eisdiele, den Flüchtlingen zu helfen. Der 18-Jährige will ab Oktober Mathe und Physik auf Lehramt in Halle studieren - und kann auf diese Weise schon einmal etwas Erfahrung sammeln.

Ähnlich ist es bei Simon Schulz. „Es macht Spaß, weil ich etwas tue“, sagt der 18-Jährige, der ebenfalls Lehrer werden möchte. Claudia Kästner vom Hotel Wien habe ihn und seine Schulkameraden angesprochen, ob sie Interesse hätten, mit Flüchtlingen Deutsch zu üben, erzählt Schulz.

Kästner hatte zuvor selbst Flüchtlingen aus der Nachbarschaft Deutschunterricht gegeben. „Ich habe aber gemerkt, dass es wenig Sinn macht, sie allein zu unterrichten“, sagt Kästner. Über das „Coffee to stay“ - eine Begegnungsstätte für alteingesessene und Neu-Bernburger - sei dann der Kontakt zu den Frauen zustande gekommen, erzählt sie.

Die Neu-Bernburger sollen sich im Alltag verständigen können

Dabei werden hier weniger Vokabeln gepaukt. Vielmehr gehe es darum, dass die Frauen sich im Alltag verständigen können, erzählt Simon Schulz. Etwa beim Einkaufen oder beim Arzt. So werden die Frauen auch gefragt, was sie wissen möchten. Besonders, wenn seine Schülerinnen Fragen zum Thema Musik haben, geht ihm das Herz auf.

Ein Lehrbuch oder Arbeitsheft gibt es zwar nicht, aber die jungen Leute versuchen, den Unterricht so lebendig wie möglich zu gestalten. Einmal haben sie sogar zusammen gekocht, sagt Schulz. Asri und Qadan macht der Unterricht Spaß - auch wenn sie noch viel üben müssen, bis sie wenigstens die Grundkenntnisse der deutschen Sprache beherrschen. (mz)