Kriminaloberkommissarin Siersleben aus Bernburg Kriminaloberkommissarin Siersleben aus Bernburg: Facebook und Whatsapp als Tatorte

Bernburg - Ihr Job erfordert Multitasking in jeder Minute: Zurzeit verfolgt sie 39 Fälle - parallel. Sich stapelnde Ordner auf der linken Seite, das Strafgesetzbuch auf der rechten. Ihren Rücken stärkt Udo Lindenberg - auf dem Plakat an der Wand hinter ihr.
Christin Siersleben arbeitet als Kriminaloberkommissarin für den Salzlandkreis im Polizeirevier Bernburg. Mittlerweile gehören Frauen in Polizeiberufen zur Selbstverständlichkeit. Die Bernburgerin schätzt, dass in ihrem Zuständigkeitsgebiet, dem Salzlandkreis, der Anteil an Frauen innerhalb der Kriminalpolizei nahezu die Hälfte beträgt: „Ich würde sagen, das Verhältnis liegt momentan ungefähr bei 40 zu 60.“ Aber das war nicht immer so.
Im Jahr 1926 trat die erste Kriminalkommissarin in Deutschland, Josephine Erkens, ihren Dienst an. Damals wurde die „Weibliche Kriminalpolizei“ (WKP) gerade eingeführt, welche für kriminell und sexuell gefährdete Minderjährige zuständig war. Christin Siersleben arbeitet heute in einem ähnlichen Bereich. Im sogenannten Sachgebiet II, das die Themen Leben, Gesundheit und sexuelle Selbstbestimmung umfasst. „Ich kümmere mich um Fälle wie Beleidigung, Bedrohung, Körperverletzung, Stalking, Kinderpornografie und sexuellen Missbrauch“, erklärt die 29-Jährige. Fälle, die unter die Haut gehen.
Und doch schafft es die Beamtin, das Berufliche nicht mit nach Hause zu nehmen: „Wenn ich die Bürotür schließe, dann schließe ich auch mit der Arbeit ab.“ Andernfalls könne sie die Herausforderungen im Job nicht meistern. So einfach diese Einstellung klingen mag, so schwierig ist sie manchmal durchzusetzen. Allerdings wirkt Christin Siersleben, als ob sie diese Balance gut im Griff hat: durchsetzungsfähig und dennoch herzlich.
Die sozialen Netzwerke wie Facebook oder der Nachrichtendienst Whatsapp spielen auch bei den Ermittlungen eine wichtige Rolle. In einem ihrer aktuellen Fälle geht es zum Beispiel um sexuellen Missbrauch über Whatsapp: „Ein zwölfjähriges Mädchen wurde von einem Mann aufgefordert, Fotos von sich zu machen und diese an ihn zu schicken.“ Anstatt den Forderungen Folge zu leisten, ist das Mädchen zur Polizei gegangen, noch bevor sie ihren Eltern davon erzählt hat. „Oft schämen sich die Betroffenen, auch oder gerade vor den eigenen Eltern“, erklärt Christin Siersleben. Gleichzeitig kommen nicht selten die Täter aus dem nahen Verwandten- oder Bekanntenkreis. „Wenn das Mädchen den Forderungen des Mannes nachgekommen wäre, dann hätte er sich zusätzlich der Kinderpornografie schuldig gemacht“, so die Kriminaloberkommissarin. Laut Strafgesetzbuch verfolgt die Justiz dieses Vergehen nach Paragraf 184b mit mindestens drei Monaten Freiheitsstrafe, maximal fünf Jahren.
Besonders als Frau sieht Christin Siersleben ihre Stärken für diese sensible Arbeit: „Bei Zeugenvernehmungen ist die Fähigkeit wichtig, sich emotional in die Welt des Gegenübers hinein zu versetzen.“ Und auch Opfer wünschen manchmal explizit eine Frau als Ansprechpartnerin bei der Polizei. „Aber natürlich gibt es auch Männer, die das meistern können“, sagt sie. Wer TV-Serien wie Tatort oder Polizeiruf 110 kennt, der bekommt oft ein ganz anderes Bild vom Alltag der Kriminalpolizei vermittelt: „Ich sitze bestimmt 80 Prozent meiner Arbeit am Schreibtisch, lese Akten, dokumentiere Zeugengespräche oder recherchiere.“ Im Fernsehen fällt diese Komponente meistens ganz weg.
Wie lange ein Fall braucht, hängt ganz vom Vergehen ab. „Kleinere Verfahren wie Beleidigung oder Bedrohung können in drei Wochen erledigt sein. Größere Angelegenheiten dauern manchmal Monate“, erklärt Christin Siersleben. Wenn ein Verfahren vor Gericht landet, entscheidet der Richter als letzte Instanz über das Ausmaß der Strafe. „Das Ziel eines jeden Falles ist, ihn aufzuklären“, so Christin Siersleben. Und wenn sie nicht bei der Polizei wäre? „Dann wäre ich vielleicht Psychologin, Ärztin oder Hebamme geworden“, antwortet die 29-Jährige. (mz)