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Kein Abitur in Bernburg Kein Abitur in Bernburg: Patrick darf Prüfung in Religion wiederholen

Von Torsten Adam 21.06.2016, 14:42
Patrick Höpfner steht vorm dem Gymnasium Carolinum in Bernburg.
Patrick Höpfner steht vorm dem Gymnasium Carolinum in Bernburg. Engelbert Pülicher

Bernburg - Für 67 Zwölftklässler des Bernburger Carolinums wird der vergangene Freitag wohl unvergessen bleiben: Im Kurhaus erhielten die Gymnasiasten ihre Abiturzeugnisse. Jener 17. Juni exakt drei Jahre zuvor entwickelte sich dagegen für einen Abiturienten aus Bernburg ganz anders als erwartet.

An diesem Tag bricht für Patrick Höpfner eine Welt zusammen: Nach einer verpatzten mündlichen Prüfung im Fach Evangelische Religion glitt dem damals 19-jährigen Bernburger das sicher geglaubte Abitur aus den Händen.

Das vom Prüfungsausschuss einstimmig attestierte Totalversagen während der 22-minütigen Leistungsabfrage war gleichbedeutend mit null Punkten. In Sachsen-Anhalt gilt damit - im Gegensatz zu den meisten anderen Bundesländern - das Abitur automatisch als nicht bestanden. Ungeachtet dessen, wie gut die Leistungen des Schülers in den anderen Fächern sind.

„Nur punktuelles Erfassen, unbeholfene Fachsprache, äußerst lückenhafte Kenntnisse, unklare Zusammenhänge, große Lücken, ohne Verständnis, vom Thema überfordert, geringes Urteilsvermögen“, ist im Protokoll des Prüfungsausschusses zur Leistung des Schülers zu lesen.

Was sich Patrick Höpfner bis heute nicht erklären kann. Selbst hätte er sich die Note „befriedigend“ erteilt, auf „gut“ gehofft, sagt er der MZ. Doch schon das ungewöhnlich lange Warten vor der Tür nach der Prüfung habe ein ungutes Gefühl bei ihm geweckt.

Als er dann wieder reingebeten und ihm das Ergebnis „null Punkte“ offenbart wurde, habe er noch mal nachgefragt, weil er glaubte, sich verhört zu haben. „Mein kompletter Lebensweg war in Frage gestellt“, sagt der junge Mann. Der zugesagte Studienplatz an der niedersächsischen Polizeiakademie in Hannoversch-Münden war plötzlich ganz weit weg.

Patrick Höpfner entschied sich deshalb mit seinen Eltern dazu, rechtlich dagegen vorzugehen. Auch weil seine sonstigen Leistungen aus den Kurshalbjahren zuvor und den vier schriftlichen Prüfungen fürs Abitur gereicht hätten. Eine Durchschnittsnote von 3,2 weist sein Zeugnis auf, im Fach Religion erreichte er in den Kurshalbjahren zuvor stets gute Punktzahlen.

Eine zeitnahe Wiederholung der mündlichen Prüfung war nicht möglich, weil er bereits die 11. Klasse freiwillig wegen schlechter Mathematik-Noten ein zweites Mal absolviert hatte, erklärt Patrick Höpfner. Eine Wiederholung bot ihm das Gymnasium nach erneutem Durchlaufen der letzten beiden Kurshalbjahre an. Doch der Schüler ging einen anderen Weg, erstritt vor dem Verwaltungsgericht Magdeburg jetzt ein Urteil, das möglicherweise bundesweite Signalwirkung hat.

„Unverhältnismäßig und insoweit rechtswidrig“

Als „unverhältnismäßig und insoweit rechtswidrig und nichtig“ kanzelte die 7. Kammer unter Vorsitz von Richter Niels Semmelhaack die aktuelle Oberstufenverordnung in Sachsen-Anhalt ab. Denn das einmalige vollständige Versagen in einer 20- bis 30-minütigen mündlichen Prüfung kann jedenfalls dann kein Nichtbestehen des Abiturs rechtfertigen, wenn es - wie in diesem Fall - das einzige  Indiz für ein eventuelles Fehlen der Hochschulreife ist, heißt es in der Urteilsbegründung.

Zwar wird Patrick Höpfner nun nach der notwendigen Änderung der Oberstufenverordnung die Wiederholung der mündlichen Prüfung angeboten, doch der 22-Jährige hat momentan ganz andere Sachen im Kopf. Er bereitet sich auf seine Bachelor-Arbeit im nächsten Jahr an der Polizeiakademie in Hannoversch-Münden vor. Dort konnte er sein Studium trotz fehlenden Abiturs noch aufnehmen: Der Umweg über ein einjähriges Polizei-Praktikum ermöglichte ihm das Erlangen der Hochschulreife.

Das Thema Abitur hat er noch nicht abgeschrieben. Er hege Ambitionen, das Angebot einer Prüfungswiederholung wahrzunehmen. Allerdings werde es nicht leicht werden, den ganzen Unterrichtsstoff noch einmal aufzuarbeiten, weiß der 22-Jährige - und hofft drei Jahre nach dem Schulabgang deshalb auf ein Entgegenkommen: „Vielleicht ist eine Verrechnung mit meiner guten Vornote möglich.“ (mz)