Klimawandel Hochschule Anhalt Bernburg: Hirse, Soja und Hartweizen gedeihen trotz Hitze und Wassermangel

Strenzfeld - Die Spatzen wissen, was gut ist. Sonst hätten sie wohl kaum die Hirse angeknabbert. Die wird auf einem Versuchsfeld der Hochschule Anhalt in Strenzfeld angebaut. Und anders als die herkömmlichen Getreidesorten wie Weizen oder Gerste hat die Dürreperiode 2018 der Körnerhirse nichts anhaben können.
„Hirse braucht weniger Wasser, aber viel Wärme“, erklärt Dieter Orzessek. Der Professor im Ruhestand und frühere Präsident der Hochschule steht inmitten von grünen Hirsepflanzen mit vollen Rispen. Auf rund 2.500 Quadratmetern wird das ursprünglich aus Afrika stammende Getreide hier angebaut. „Die Ernte wird gut ausfallen“, prognostiziert Orzessek. Er rechnet mit bis zu 100 Dezitonnen je Hektar.
Rispen der Hirsepflanzen sind gut gefüllt
Direkt nebenan gedeihen Sojabohnen. Auch hier wird die Ernte gut ausfallen. Soja wird spät ausgesät und braucht wenig Wasser - also auch ideal für längere Trockenphasen. Nur im Juli bzw. August benötigt die Bohnen etwas Regen.
Auf der Versuchsfläche in Strenzfeld werden indes hauptsächlich bekannte Getreidesorten und Raps angebaut. Doch auch die Hochschule musste wie viele andere landwirtschaftliche Betriebe in diesem Jahr erhebliche Einbußen beim Ertrag hinnehmen.
Fehlendes Wasser ließ viel weniger Ähren wachsen
Schon im Winter habe es zu wenig Niederschlag gegeben, sagt Orzessek. Dann folgte eine erste Hitzeperiode im April und Mai, wodurch sich viel weniger Triebe ausbildeten. Am Ende wuchsen nur rund 420 Getreideähren pro Quadratmeter - statt 500 Ähren wie in normalen Jahren.
Auf die erste Trockenperiode folgte die extreme Dürre im Juni und Juli. Die Folge: Die Körner waren 2018 so klein wie selten. Dadurch verringert sich auch die Qualität des Getreides.
Getreide zu bewässern sei viel zu aufwendig, sagt Orzessek. Landwirte müssen Kulturen anbauen, denen Dürre wenig zusetzt.
„Bauern müssen künftig mit den Extremen leben"
An der Hochschule Anhalt gibt es deshalb neben den herkömmlichen Getreidearten die Versuche mit Arten, denen Hitze wenig oder gar nichts ausmacht. Denn die Erderwärmung finde statt, „mit den Extremen werden Bauern in Zukunft leben müssen“, ist sich Orzessek sicher.
Schon immer mussten sich Menschen, Tiere und Pflanzen an neue klimatische Bedingungen anpassen. Nun müsse man Sorten anbauen, die viel Wärme und wenig Regen brauchen.
Dazu zählen neben Körnerhirse und Sojabohnen, die seit sieben Jahren auf den Versuchsfeldern wachsen, auch Durum, Hartweizen. Der wird bereits von einigen Landwirten in der Region angebaut und vor allem an Hersteller von Teigwaren verkauft.
54 Betriebe in Sachsen-Anhalt bauen Sojabohnen an
54 Betriebe in Sachsen-Anhalt bauen fast 1.000 Hektar Sojabohnen an, teilte das Statistische Landesamt mit. Bei Durum sind es rund 11 000 Hektar, die von 276 Betrieben bewirtschaftet werden. Auf wie viel Hektar in Sachsen-Anhalt Hirse wächst, ist nicht bekannt.
Hirse wird übrigens erst im Oktober geerntet, Sojabohnen rund einen Monat früher. Die Sojaerträge seien zwar in den hiesigen Breitengraden noch relativ instabil, sagt Dieter Orzessek. Aber er meint auch: „Soja hat eine Chance in Mitteldeutschland.“
Auch Hirse wächst trotz Hitze und Trockenheit
Ähnlich schätzt er die Lage bei Hirse ein. Neben der Toleranz gegenüber Hitze und Trockenheit sieht er einen weiteren Vorteil dieser Getreideart: „Hirse benötigt kaum Stickstoffdünger, weil sie sich diesen Nährstoff aus dem Boden zieht“, erläutert Orzessek.
Darüber hinaus teste man auf einer anderen Fläche unterschiedliche Verfahren der Bodenbearbeitung bei Sojabohnen, darunter das Mulchen (Zerkleinern von Pflanzenresten), die sogenannte Streifensaat und herkömmliches Pflügen, um noch genauere Ergebnisse zu erzielen.
Abgesehen von Hirse und Sojabohnen gibt es an der Hochschule weitere Versuche mit Winterformen von Erbsen und Bohnen. Die werden im Herbst ausgesät, in der Hoffnung, im Sommer mehr zu ernten, erklärte Orzessek. Generell werde der Trend wohl zu mehr Winterkulturen gehen.
Netze sollen Taubenfraß verhindern
Die Vorzüge der neuen Sorten wissen aber nicht nur die Mitarbeiter der Hochschule und, wie eingangs erwähnt, die Spatzen zu schätzen. Auch andere Wildtiere haben die neuen Kulturen für sich entdeckt. Tauben etwa fressen gern die Keimlinge der Sojabohnen, erzählt Orzessek.
Und auch Hasen hätten es sich hier schon schmecken lassen. Daher sollen die Flächen schnellstmöglich mit Netzen abgedeckt werden - damit die Versuchsergebnisse nicht verfälscht werden. (mz)