Haus des Handwerks in Bernburg Haus des Handwerks in Bernburg: Die Uhr tickt

bernburg/MZ - Die jahrzehntelange Gaststätten-Tradition im Haus des Handwerks steht vor dem Aus. Zum 31. März, dann läuft der fünfjährige Pachtvertrag aus, gibt Familie Jänsch die Bewirtschaftung auf, um sich voll und ganz auf das Ausflugslokal „Paradies“ zu konzentrieren (die MZ berichtete). Die Suche nach einem Nachfolger, der den erfolgreichen Gaststättenbetrieb fortführt, ist bislang nicht von Erfolg gekrönt.
Ein Interessent hat „kalte Füße“ bekommen, sagt Lothar Jänsch. Warum, kann er sich nicht erklären. Schließlich sei das Haus, in dem montags bis freitags Frühstück angeboten und täglich 200 bis 300 Mittagessen verkauft werden, bestens frequentiert. „Es gibt keine andere Gaststätte in Bernburg, die mittags so gut gefüllt ist“, betont der 60-jährige Wirt. Wer hier anfange, verdiene gleich Geld, verspricht er.
Als seine Familie vor fünf Jahren aus dem benachbarten Kaufhaus, das Insolvenz anmelden musste, zwangsgedrungenermaßen ins Haus des Handwerks wechselte und die geschlossene Gaststätte übernahm, sei dies freilich anders gewesen. „Der Abschluss eines fünfjährigen Pachtvertrages war damals riskant, eine Notlösung. Doch wir haben es nicht bereut.“ In der Branche sei es wichtig, einfach Mut zu beweisen und dann zu sehen, zu welchen Leistungen man fähig ist, ermuntert er potenzielle Nachfolger.
Der Saal als Schlüssel des Erfolgs
Schließlich könne der neue Gastronom auf eine treue Stammkundschaft bauen. Manche Gäste kommen seit Jahren täglich hierher. Wie die 92-jährige Irmgard Hinzdorf und ihre 71-jährige Freundin Irma Wodtke. Sie würden es bedauern, wenn die Gaststätte in zwei Monaten schließen müsste. Auch Familie Krüger kehrt hier öfter ein, um im großen Saal mittags gutbürgerlich zu speisen. Zudem kommen viele Berufstätige aus der Innenstadt vorbei und holen sich Essen ab, sagt Lothar Jänsch. Den Saal bezeichnet er als Schlüssel des Erfolgs. Denn er stehe nicht nur mittags als Speiseraum zur Verfügung, sondern abends und an den Wochenenden auch als Lokalität für Feierlichkeiten.
Für Lothar Jänsch, seine Frau Marion und die Kinder ist die zweigleisige Bewirtschaftung von Haus des Handwerks und „Paradies“ zu viel geworden, geben sie freimütig zu. „Geld ist eben nicht alles“, wenn dafür die Lebensqualität auf der Strecke bleibt, sagt der Familienvater. „Normalerweise wären wir hier alt geworden, wenn sich nicht die Chance mit dem ,Paradies’ ergeben hätte.“ Um die Suche eines Nachpächters müsste er sich eigentlich nicht kümmern. Eigentlich. Er tut es dennoch. „Ich sehe das als Fürsorgepflicht für unseren Kundenstamm und die Mitarbeiter“.
Die Köchinnen Michaela Englisch und Antje Kohlert sowie die Servicekräfte Gabriele Hummel und Iris Rott sollen möglichst ihren Arbeitsplatz behalten und auch unter neuer Betriebsführung die Gäste verwöhnen, denen die Gesichter teilweise seit zehn Jahren vertraut sind. „Mein Wunsch ist es, dass das Personal bleibt. Das ist ein eingespieltes Team.“ Mobiliar und Inventar würde Lothar Jänsch einem Nachfolger günstig überlassen, wie er sagt.

