Mit 104 Jahren Hans-Joachim Schlothauer aus Bernburg: Ältester Bürger der Stadt sieht mit 104 Jahren gern "In aller Freundschaft"

Bernburg - Hans-Joachim Schlothauer, der älteste Bernburger, hat am Montag in seiner Altbau-Wohnung seinen 104. Geburtstag gefeiert. Und wie es sich für einen solchen Ehrentag gehört, schmiss er sich in feinen Zwirn. Im schicken Anzug nahm er die Glückwünsche der zahlreichen Gratulanten entgegen.
„Sie können das Gleiche schreiben wie im Vorjahr“, empfahl sein Sohn Volkmar lachend dem MZ-Reporter. Sein Vater sei noch immer fast so fit wie ein Turnschuh. Der Mann, der zwei Weltkriege miterlebte, ist geistig rege wie eh und je. Nur das Gehör und die Sehkraft lassen so langsam nach.
Schlothauer ist geistig rege wie eh und je
Er interessiert sich noch sehr für sein geliebtes Bernburg. Dass die MZ-Redaktion jetzt am Saalplatz sitzt, hat er mitbekommen. Er habe gehört, dass es sehr schön dort unten geworden ist.
„Wer hätte gedacht, dass ich mal so ein alter Knabe werde“, sagte Hans-Joachim Schlothauer sinnierend. Dem Tod hatte er nämlich schon als junger Mensch ins Auge geblickt - in den Schützengräben des Zweiten Weltkrieges. Der gebürtige Berliner, der in Halle aufwuchs und 1933 als junger Rekrut nach Bernburg gekommen war, überlebte das Grauen „mit viel Glück“.
1946 floh er aus einem britischen Kriegsgefangenenlager
Der Stadt an der Saale ist er bis heute treu geblieben. 1946 war das Heimweh sogar so groß, dass er aus einem britischen Kriegsgefangenenlager ausbüxte. Später arbeitete der gelernte Drogist jahrzehntelang in der Eisengießerei und beim Maschinenbauhandel.
Und er muss mit seiner sympathischen Art wohl mächtig Eindruck hinterlassen haben. Einige der Mitarbeiter besuchen ihren ehemaligen Chef, der seit dem Tod seiner Frau vor 29 Jahren allein lebt, noch immer. „Wenn ich meine Kinder nicht hätte, könnte ich hier nicht wohnen“, sagt Hans-Joachim Schlothauer.
Sohn, Tochter und Pflegedienst helfen im Alltag
Er ist dankbar für die Unterstützung von Sohn Volkmar und Tochter Uta, die es ihm ermöglichen, mit 104 Jahren noch in den eigenen vier Wänden leben zu können. Bei der Bewältigung des Alltags hilft auch ein Pflegedienst.
Der Tag beginnt für den Senior morgens um 6 Uhr. Warum so früh? „Weil alles etwas länger dauert“, ist er um eine Antwort nicht verlegen. Mittags wird das Essen auf Rädern geliefert.
Der 104-Jährige hört viel Radio, der Fernseher wird erst abends für ein paar Stunden eingeschaltet. „Ich sitze dann einen Meter von der Glotze entfernt und schaue mir gern Naturdokumentationen und Musiksendungen an. Aber nicht diese moderne Hottentotten-Musik“, erzählt er.
Schlothauer nimmt vorm Schlafen Schwedenbitter und Doppelkorn
Auch die Arztserie „In aller Freundschaft“ schaue er gern. Ein vom Sohn gemixtes Schnäpschen aus Schwedenbitter und Doppelkorn ist tägliches Ritual vor dem Zubettgehen - und vielleicht ein Geheimnis des begnadeten Alters?
Eine feste Größe in seinem Leben gibt es allerdings nicht mehr. Sein Nachbar und bester Freund Helmut verstarb 91-jährig im Frühling. Beide hatten täglich viel Zeit miteinander verbracht, waren gemeinsam mit dem Rollator spazieren gegangen.
Geblieben ist Hans-Joachim Schlothauer die Fürsorge seiner Familie. Vier Enkel und sieben Urenkel zählen dazu. Dass Bernburgs ältester Einwohner am 8. Oktober 2019 zu seinem dann 105. Geburtstag einladen wird, daran hegt Oberbürgermeister Henry Schütze (parteilos) keine Zweifel. Als er dem Rentner zum Abschied die Hände schüttelte, sagte er: „Wir sehen uns in einem Jahr wieder - wenn mir nichts passiert.“ (mz)