Größere Mengen legt sich kaum noch jemand in den Keller
GERBITZ/MZ. - Der 64-jährige Sattler führt das Familienunternehmen gemeinsam mit seiner Frau Renate und den Söhnen Erik (36) und Edgar (31). Hinzu kommen zwei Fahrer für die Auslieferung von Heizöl. Vor Jahren hatte der Brennstoffhändler noch einen Vier-Tonner-Lkw in Betrieb, um Braunkohle-Briketts als lose Ware zu liefern. Nach der Wende wurden viele alte Heizungen durch Öl- oder Gasheizungen ersetzt. Dadurch hat der Kohlenbedarf zwangsläufig nachgelassen. Dennoch gibt es noch genug ältere Bewohner, die ihr Haus weiterhin mit Kohle beheizen.
Für Sattler reicht jetzt allerdings ein Multicar, auf dem bei einer Fuhre 50 Zentner transportiert werden. "Das hat den Vorteil, dass man in manche Hofeinfahrten besser hineinkommt", erklärt der 64-jährige Firmeninhaber.
Kohlenvorräte über den ganzen Winter hinweg legen sich heute kaum noch Leute an, weiß der Händler, der den Betrieb 1971 von seinem Vorgänger übernommen hat. Damals bildete noch ein Kommissionsvertrag mit dem VEB Kohlenhandel die Geschäftsgrundlage. "Heute hat sich die Mentalität gewandelt", verweist der Händler darauf, dass es auch nicht mehr üblich ist, größere Mengen Kartoffeln im Keller zu lagern.
Angeliefert werden die Kohlen in der Regel ab einer Menge von zehn Zentnern. Das entspricht 20 Paketen von jeweils 25 Kilogramm, zu denen die Briketts zum Handtransport zusammen gepackt sind. Auch an diesem Morgen geht eine kleine Brikett-Lieferung an einen Haushalt in Gerbitz. Die Hausbesitzer hatten großes Pech, als sie in den 1990er Jahren eine neue Heizung in Auftrag gegeben haben. Die mit vielen Mängeln installierte Gasheizung erwies sich später als Kostenfresser. Kurz darauf ging der ausführende Betrieb auch noch in Konkurs. Seitdem behelfen sich die Hausbesitzer mit einer alten Kohleheizung, die der Ehemann selbst angeschlossen hat. "Das hat den Nachteil, dass ich nachts um 2.30 Uhr aufstehen muss, um Kohlen nachzulegen", berichtet die Anwohnerin. Sie ist heilfroh, wenn es wieder Frühjahr wird.
Der Heizstoffhändler in Gerbitz bekommt immer wieder zu spüren, dass bei vielen das Geld knapp geworden ist. Es geht schlicht und einfach darum, über den Winter zu kommen. Manche Kunden kommen mit Kanistern vorbei, um sich 60 Liter Heizöl abzupumpen. "Das muss für 14 Tage reichen", sagt ein Kunde. Im Raum Schönebeck erhalten Einwohner mit wenig Einkommen über die Kommunale Beschäftigungsagentur (KoBa) Anrechtsscheine für Kohlen, die sie beim Händler einlösen. Im Raum Bernburg reicht der Antragsteller zunächst beim Landkreis einen Kostenvoranschlag des Händlers ein. Nach der Bestätigung der Kostenübernahme werden dann die Kohlen geliefert.
Eine andere Lieferung geht an diesem Morgen in einen Gartenbaubetrieb in die Ilberstedter Straße nach Bernburg. Erik Sattler hat die erste 50-Zentner-Fuhre schon am Morgen geliefert. Jetzt liegen weitere 50 Zentner auf der Ladefläche des Kleintransporters. Die Heizung in dem Gartenbaubetrieb stammt noch von 1960. "Wir beheizen im Winter nur die Hälfte der sonstigen Fläche", erklärt Heinz Hegenbart, der Vorsitzende der Genossenschaft. Es sind rund 1 000 Quadratmeter Fläche in den Treibhäusern, die hier noch mit Kohle beheizt werden.