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Streusalz Esco-Steinsalzbergwerk Bernburg: Rund 10.000 Tonnen Tausalz werden täglich abgebaut

Von Torsten Adam 25.03.2018, 10:55
Mit einem gewaltigen Radlader werden die lose gesprengten Salzbrocken in eine Brechermaschine verladen.
Mit einem gewaltigen Radlader werden die lose gesprengten Salzbrocken in eine Brechermaschine verladen. Nicklisch

Bernburg - Langsam ruckelt der Korb an, dann wird er immer schneller. Bis zu zehn Meter pro Sekunde geht es durch die vor 106 Jahren geteufte Röhre des Schachtes Gröna abwärts.

Erst nach mehrmaligem Schlucken verschwindet der Druck auf dem Trommelfell. Exakt 1:45 Minuten später ist das Ziel in 513 Meter Tiefe erreicht. Willkommen in Bernburgs Unterwelt!

Feinster Salzstaub liegt hier in der Luft. Das „weiße Gold“ lässt sich auf der Zunge schmecken. Es ist staubtrocken und angenehm warm, auch jetzt im Spätwinter. Um die 24 Grad schwankt die Temperatur.

24 Grad Celsius und sehr trocken

Als Untertage-Produktionschef Torsten Mersch im Offroad-Jeep aufs Gaspedal drückt, umfängt eine milde Brise die Nase und weckt Urlaubsgefühle. Die insgesamt knapp 200 Bergleute, die täglich zu einer der drei Schichten einfahren, können daran keine Gedanken verschwenden.

Sie sorgen unter anderem dafür, dass ein paar hundert Meter über ihnen genug Auftausalz bereit liegt, um die Straßen von Eis und Schnee zu befreien. Je nach Wetterlage macht das Geschäft mit dem Winterdienst für das Bernburger Esco-Werk 40 bis 80 Prozent des Umsatzes aus.

Geschäft mit Streusalz macht bis 80 Prozent des Umsatzes aus

Die Scheinwerfer des Offroaders leuchten den Schacht aus, der an den Querschnitt eines Kastenbrotes erinnert. Bis zur Decke sind es ungefähr fünf Meter, in der Horizontalen auch. Salz, wohin das Auge blickt.

Torsten Mersch lenkt den Jeep zielsicher durch das scheinbare Gewirr aus Wegen, in dem Fremde hoffnungslos verloren wären. Der aus dem Ruhrpott stammende Mann arbeitet seit 1999 für Esco in Bernburg, kennt das Streckensystem in- und auswendig.

Auf die unscheinbaren, vom Bergamt vorgeschriebenen Markierungen an den Weggabelungen muss er nicht mehr achten. „Nach einiger Zeit kennt man auch die Abkürzungen“, erzählt er lächelnd, während es mit dem erlaubten Höchsttempo 50 kilometerweit über die leicht rumpelige Salzpiste leicht abwärts in Richtung Nordwesten geht.

Unterwegs unter der Saale und der Bundesstraße 6

„Hier fließt die Saale über uns, die Schifferklause ist ganz in der Nähe“, erzählt der 52-Jährige unterwegs. Die Übertage-Landkarte im Kopf, bewegt er sich zielsicher wie ein Maulwurf durch die Gänge. Ein paar Minuten später stoppt der Offroader. „Über uns liegt die blaue Brücke der B6n über die Eisenbahnstrecke“, schätzt Mersch.

Mit einem Joystick am Gürtel steuert David Noffke eine Maschine, die jeweils sieben Meter tiefe Sprenglöcher mit einem Durchmesser von 38 Millimetern vertikal ins Salz treibt.

Sieben Meter tiefe Löcher für Sprengstoff

Anschließend werden die 14 Löcher mit Andex gefüllt - ein mit Heizöl versetzter Sprengstoff auf Ammoniumnitrat-Basis, der rückstandsfrei detoniert. Und dabei rund 5000 Tonnen Salz löst. „In der Nähe von bewohntem Gebiet sprengen wir täglich nach der Frühschicht zwischen 13.30 und 13.45 Uhr. Ansonsten zünden wir bei Bedarf auch nach Spät- und Nachtschicht die Sprengsätze“, sagt Mersch.

Denn dem Betrieb liege an einem guten Verhältnis zur Bevölkerung. Ulrich Göbel, Sprecher des Mutterkonzerns K+S, ist überzeugt davon, dass Esco eine hohe Akzeptanz genießt: „Auch weil wir frühere Bergbauschäden, zum Beispiel an Häusern in Ilberstedt, großzügig beglichen haben.“

Eine Halle in 500 Meter Tiefe

Ein paar Weggabelungen weiter öffnet sich der enge Schacht zu einer eindrucksvollen Halle, die irgendwann einmal eine Maximalausdehnung von 400 Meter Länge, 25 Meter Breite und 42 Meter Höhe erreichen wird. Sechs dieser riesigen Kammern werden derzeit im Förderfeld nordwestlich von Ilberstedt parallel ausgebeutet.

Eine davon ist der einsame Arbeitsplatz von Steven Hoffmann. Der junge Mann steuert ein Fahrzeug, das einem Monstertruck ähnelt. Die Reifen sind mannshoch, unter der Motorhaube stecken über 500 Pferdestärken.

Fauchend schiebt die Dieselmaschine eine riesige Schaufel in lose gesprengte Salzbrocken. 21 Tonnen des weißen Goldes kann sie aufnehmen. „Bis Mitte der 1930er Jahre hat eine Arbeitsgruppe von vier, fünf Mann mit Schaufeln dafür zwei Schichten benötigt“, verweist Ulrich Göbel auf die Fortschritte der Technik.

21 Tonnen Salz in einer Radlader-Schaufel

Die nächste Etappe der Weiterentwicklung der Fahrzeuge unter Tage könnte der Elektroantrieb sein. Noch in diesem Jahr sollen erste E-Modelle in Bernburg auf Praxistauglichkeit getestet werden. „Größtes Problem ist noch deren geringe Akkuleistung. Aber hier sind wir natürlich stärker als Übertage von Frischluft abhängig“, erläutert Torsten Mersch.

Steven Hoffmann kippt die findlingsgroßen Salzbrocken in eine Brechermaschine, die sie unter lautem Knacken zerkleinert und auf ein Förderband wirft. Durch den Schacht Bernburg mit dem Wahrzeichen der Stadt, dem weithin sichtbaren Förderturm, gelangt das Salz später ans Tageslicht. Derzeit sind es 10.000 Tonnen täglich, möglich wären 14.000. 2017 verkaufte das Bernburger Werk insgesamt 2,1 Millionen Tonnen. „Ein normales Jahr“, bilanziert Werkleiter Markus Cieslik.

Vor 250 Millionen Jahren trocknete ein flaches Meer aus

Dort, wo heute eine Kleinstadt steht, bedeckte vor 250 Millionen Jahren ein flaches Meer die Region, das langsam austrocknete. Zurück blieben am Grund mächtige Salzkrusten, die später von anderen Gesteinsschichten überlagert und komprimiert wurden.

Dieses Bernburger Urmeersalz zählt mit durchschnittlich über 99 Prozent Natriumchlorid-Anteil weltweit zu den reinsten Speisesalzen, sagt Ulrich Göbel stolz. „Bei uns kacken keine Möwen rein“, sagt er augenzwinkernd mit Blick auf das seltsamerweise bei den Verbrauchern hoch im Kurs stehende Meersalz in den Supermarkt-Regalen.

Seit 1921 wird in Bernburg Steinsalz abgebaut

Abgebaut wird in Bernburg quasi nur das Filetstück in der Mitte der Salzschicht. Die oberen 70 Meter bleiben schon allein deshalb unangetastet, damit kein Wasser in die Grube eindringen kann. In einer Tiefe von 380 bis 650 Metern wird bereits seit 1921 Steinsalz abgebaut.

Begonnen hatte die Bergbau-Tradition in Bernburg 1913 mit der Förderung von für die Düngemittelindustrie bedeutsamen Kalisalzen. 1973 wurde diese eingestellt.

Nach wenigen Minuten erreicht der Jeep die in einer Abbaukammer eingerichtete Werkstatt. Der hell erleuchtete Raum steht voller unterschiedlichster Maschinen wie Sprenglochbohrer, Kranwagen oder Berauber. Letzterer klaubt alle drei Monate Gesteinsbrocken von Wänden und Decken, damit die neu geschaffenen Hohlräume gefahrlos betreten und befahren werden können.

Der Förderkorb ist neun Kilometer entfernt

Die Werkstatt soll den in unmittelbarer Nähe stattfindenden Salzabbau für die nächsten zwei, drei Jahrzehnte absichern. Kurze Wege sparen Zeit, der Förderkorb ist acht, neun Kilometer entfernt.

Auf dem Rückweg dorthin wird es plötzlich kalt. Über drei Schächte werden die Kumpel ständig mit frischer Luft versorgt. 13.000 Kubikmeter werden pro Minute in die Grube gedrückt. Bei Aderstedt wird die verbrauchte Luft wieder nach oben geführt.

Salz lagert in drei riesigen Hallen über Tage

Zurück an der Erdoberfläche fallen auf dem Werksgelände drei riesige Hallen ins Auge. Hier können jeweils bis zu 13.000 Tonnen fein gemahlenes Salz gelagert werden. Die Lager sind auch Puffer für Zeiten, in denen der Bedarf wegen glatter Straßen sprunghaft steigt.

Dann reihen sich Lkw an Lkw an der Verladerampe. Meist sind es osteuropäische Fahrer, die im Esco-Auftrag die Ware zu den Kunden bringen - vorrangig nach Nord- und Ostdeutschland, Tschechien, Polen und ins Baltikum.

Große Mengen werden über Wismar nach Skandinavien geliefert

„50 Prozent geht mit der Bahn weg, hauptsächlich über den Hafen Wismar nach Skandinavien“, berichtet Übertage-Produktionsleiter Stefan Mutz. „Wegen der Frachtkosten können wir mit dem Lkw nicht unendlich weit fahren“, erklärt Werkleiter Markus Cieslik.

Um auf Auftragsspitzen schnell reagieren zu können, hat Esco an mehreren Orten in Europa kundennahe Lager mit einer Kapazität von bis zu einer Million Tonnen Auftausalz angelegt - eine Lehre aus dem harten Winter 2010, als Streusalz nicht mehr verfügbar war.

„Würde witterungsbedingt wieder ein nationaler Notstand eintreten, dürften wir auch sonn- und feiertags arbeiten“, sagt Ulrich Göbel. Weil die Streusalzvorräte meist offen lagern, wird ihnen Magnesiumchlorid als Trennmittel beigemischt, damit das Salz nicht klumpt.

Unterschiedliche Korngrößen und eine Natriumchloridlauge sorgen dafür, dass der Auftaueffekt auf der Fahrbahn schnell einsetzt und lange anhält. „40 Gramm pro Quadratmeter sind ideal. Umgerechnet kommt die gleiche Salzmenge auf ein Frühstücksei“, verdeutlicht der K+S-Sprecher. Halten sich die Winterdienste an diese Vorgaben, sei diese Menge auch für die Umwelt verträglich.