Dem Russen Leo Tolstoi auf der Spur
BERNBURG/MZ. - Um diesem Mysterium auf den Grund zu gehen, verarbeitete der heute in Russland lebende Rathmann seine tolstoischen Erfahrungen in einem Schriftstück, dem er, wie sollte es anders sein, den Titel "Tolstoiallee 25" gegeben hat und das heute in Weimar der Öffentlichkeit vorgestellt wird. Jene Adresse ist genau die, in der Jörg Rathmann seine ersten 20 Lebensjahre verbrachte.
Nach Beendigung seiner Schulzeit am hiesigen Gymnasium Carolinum, das damals noch unter dem Namen EOS Karl-Marx bekannt war, absolvierte der junge Bernburger seinen Armeedienst. Der schon immer an der russischen Sprache interessierte junge Mann entschied sich anschließend ein Lehramtsstudium in den Fächern Russisch und Geographie an der Universität in Dresden aufzunehmen. Während seines Studiums verlagerte er seine Vorlesungen für 24 Monate nach Russland, um die Sprache zu vertiefen und die Mentalität kennen zu lernen.
Beeindruckt von dem dortigen Leben und begünstigt durch die bessere Arbeitsmarktstruktur kehrte der Pädagoge nach der Jahrtausendwende nach Russland zurück, nachdem er sein Studium beendet und erste berufliche Erfahrungen in Deutschland gesammelt hatte. Durch ein Praktikumsangebot bei der deutschen Außenhandelskammer in Moskau festigte sich sein Wunsch in dem Land zu bleiben. Und prompt lernte er den Urenkel von Leo Tolstoi kennen, der ihm eine lukrative Arbeitsstelle in Jasnaja Poljana - dem Geburtsort des großen Autors - anbot.
Dieser schmiedete den Plan in der nahe Tula gelegenen russischen Stadt ein Kulturzentrum zu eröffnen, bei dem ihm der Deutsche helfen sollte. Mit vielen Kuriositäten wurde Rathmann in Jasnaja Poljana konfrontiert. Alle hielt er in seinem Erstlingswerk "Tolstoiallee 25 - 25 kurze Geschichten aus Jasnaja Poljana" fest. Passend zu der Hausnummer, die jahrelang die Hauswand seines Bernburger Elternhauses zierte, entstanden gleich so viele Kurzgeschichten aus dem russischen Alltag. "Ich möchte damit aber auch zeigen, dass es dort nicht wie im Wilden Westen zugeht", erklärt Rathmann schmunzelnd seine Schreibambitionen.
"Zwei Anlässe bewegten mich dazu ein Buch zu schreiben", berichtet der Autor, der einerseits von außen dazu gedrängt wurde seine kuriosen Erlebnisse schriftlich festzuhalten. "Der letztendliche Auslöser war aber ein Hollywoodstreifen über Tolstoi, der im nächsten Jahr in die Kinos kommen soll", so Rathmann, der auf der literarischen Welle, die dieser Streifen möglicherweise auslösen wird, mitschwimmen will. Vier Monate brauchte der Schriftstellerneuling für sein Werk. "Ich habe immer die toten Zeiten genutzt wie Zugfahrten, auf Flughäfen oder in Kneipen", erzählt er. Er nutzte das Buch auch, um mit der Zeit in Jasnaja Poljana abzuschließen.
Was ihn nun noch immer in dem eurasischen Land hält? "Es ist eine Hass-Liebe, die mich nicht gehen lässt", meint der Autor, der sich bei Besuchen in der deutschen Heimat jedoch regelmäßig mit Heimweh plagt. "Am meisten vermisse ich frische Bäckerbrötchen zum Frühstück und Trinkwasser aus der Leitung", berichtet der Pädagoge, der trotz der Einschränkungen in den nächsten Jahren keine Rückkehr nach Deutschland plant. Um sich künftig neuen anstehenden Aufgaben zu widmen plant Rathmann keine schriftstellerische Fortsetzung. Zunächst steht für ihn erst einmal ein Umzug nach Kaluga an, wo er mit einer Finanzberatungsfiliale Fuß fassen will.
Am 8. Januar 2009 wird Jörg Rathmann um 18.30 Uhr in der Stadtbibliothek Bernburg sein Werk vorstellen. Das Buch kann man dort auch kaufen.