Bernburg Bernburg: Auf dem Abstellgleis
bernburg/MZ. - Seit einem Jahr ist Ilona Pompe arbeitslos - zum zweiten Mal in ihrem Leben. 42 Bewerbungen hat die verwitwete Mutter dreier erwachsener Kinder in den vergangenen Monaten an verschiedene Arbeitgeber in Bernburg geschrieben - erfolglos. Für die 57-Jährige hagelte es Absagen. "Etwa auf die Hälfte meiner Bewerbungen habe ich erst gar keine Antwort erhalten", erzählt die Bernburgerin der MZ. Sie will die wenigen Jahre bis zur Rente unbedingt arbeiten - darf aber nicht. Ein Schicksal, das sie mit vielen älteren Arbeitnehmern jenseits der 50 teilt.
Ilona Pompe hatte beim Landmaschinenbau Industriekauffrau gelernt. Nach zehnjähriger Tätigkeit in diesem Beruf wechselte sie zur Konsum-Genossenschaft, wo sie von 1982 bis 1992 als Lohnbuchhalterin arbeitete. Dann wurde der Betrieb abgewickelt - die Bernburgerin stand zum ersten Mal auf der Straße. Vier Jahre lang, in denen sie sich weiterbildete.
Ein dreimonatiges Praktikum im städtischen Altenpflegeheim am Zepziger Weg eröffnete ihr die Chance, 1996 ins Arbeitsleben zurückzukehren. Als Rezeptionistin angestellt, half sie anfangs bei der Buchhaltung, betreute später den Kiosk und das Sekretariat mit. Der Verkauf des Seniorenzentrums an die Arbeiterwohlfahrt im Jahr 2007 sollte für sie vier Jahre später schlimme Folgen haben. "Ich wurde zum 31. März 2011 gekündigt, weil meine Arbeit - ebenso wie die Wäscherei - an Fremdgesellschaften vergeben worden ist", blickt Ilona Pompe zurück.
Zum zweiten Mal in ihrem Leben war sie ohne Job - und das mit 56. Die dreifache Mutter blieb aber nicht untätig, reagierte auf Stellenangebote und schrieb Initiativbewerbungen als Bürokraft. Die Resultate sind ernüchternd. "In den meist netten Absagen, hieß es, dass sich der Arbeitgeber für andere Bewerber entschieden hat oder derzeit keine Stelle frei ist. Dass ich zu alt bin, hat natürlich niemand als Grund angegeben", berichtet die Bernburgerin.
Keine Hilfe von der Arbeitsagentur
Reelle Hilfe von der Arbeitsagentur habe sie nicht bekommen. Außer der Vorgabe, monatlich vier Bewerbungen vorzuweisen und dem Ratschlag, Englisch zur Verbesserung der Einstellungschancen zu lernen, schlug die Behörde in den vergangenen zwölf Monaten einen einzigen Job vor: "Schichtarbeit bei einer Zeitarbeitsfirma in Schönebeck. Ich habe kein Auto, bin auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen. Da wäre ich abends nicht wieder nach Hause gekommen."
Auch bei der Stadt Bernburg, ihrem früheren Arbeitgeber, hatte sie sich beworben. Die lapidare Antwort: Für zwei ausgeschriebene Stellen als Sachbearbeiterin in der Wirtschaftsförderung und Bibliotheks-Mitarbeiterin sei sie nicht geeignet, weil laut Internet-Stellenausschreibung ein Fachhochschulstudium nachzuweisen sei. "Ich hatte zu diesem Zeitpunkt aber keinen Computer, konnte das gar nicht wissen. Und nach meiner Initiativbewerbung als Bürokraft erhielt ich die Nachricht, dass Initiativbewerbungen nicht erwünscht sind", erzählt Ilona Pompe. Obwohl sie Anfang März eine 1,45-Euro-Briefmarke an die Stadtverwaltung geschickt hatte, um ihre Bewerbungsunterlagen zurückzuerhalten, habe sie diese bis heute nicht bekommen.
Ernüchternd sei auch eine Bewerbung bei einem gemeinnützigen Verein gewesen, bei dem sie als Seniorenbetreuerin hätte beginnen wollen. Das Angebot: für monatlich 400 Euro 20 Wochenstunden arbeiten. Diese Entlohnung sei für sie nicht akzeptabel gewesen, zumal den Job ohnehin nur bekommen habe, wer kochen und ein Auto vorweisen kann. Als noch unwürdiger fand sie das Angebot, für eine Aufwandsentschädigung von 150 Euro monatlich neun Nachtdienste leisten zu müssen. "Das nenne ich sparen. Als ich das beim Arbeitsamt erzählte, wurde mir geraten, die Firma bei der übergeordneten Stelle, wer immer das sein mag, anzuzeigen." Die Behörde selbst unternahm nichts. "Ich finde es traurig, dass Arbeitslose, nur um wieder Geld zu verdienen, sich so ausbeuten lassen müssen", sagt die 57-Jährige. Ihre Schwester arbeite in Vollzeit und Schichten bei einer Tankstelle - dennoch müsse sie ihren Arbeitslohn mit staatlichen Geldern aufstocken lassen, weil er sonst zum Leben nicht reiche.
Ex-Kolleginnen auch ohne neuen Job
Zwei ehemalige Kolleginnen, die ein Jahr zuvor im Awo-Pflegeheim ihren Job verloren hatten, seien in einer ähnlichen Situation. "Eine kann jetzt wenigstens in Rente gehen, die andere steht weiter auf der Straße", sagt Ilona Pompe.
Aufgeben will sie nicht, auch wenn die Hoffnung schwindet. "Wer nimmt noch eine 57-Jährige, wenn es viele junge Arbeitslose gibt?", fragt sie und liefert Gegenargumente: "Ich denke, dass wir Älteren in der Regel zuverlässiger sind und die Arbeit ernster nehmen. Ich war in meinem Arbeitsleben fast nie krank." Froh ist die Bernburgerin, dass wenigstens zwei ihrer Kinder in Lohn und Brot stehen. "Mein anderer Sohn studiert. Ich würde ihn gern finanziell unterstützen, aber das geht nicht ohne eigenen Verdienst", sagt sie traurig.
Bald endet ihr Bezug des Arbeitslosengeldes I. An Hartz IV mag Ilona Pompe nicht denken: "Wenn ich alles offenlegen muss - das wird mir unangenehm sein."