Aschersleben Aschersleben: Ehe zerbricht am Alkohol
Aschersleben/MZ. - Auch einen Tag nach dem Unglück sind die Aschersleber noch geschockt. Passanten schauen immer wieder zu der Stelle am Hennebrunnen, an der sich am Mittwoch gegen 18 Uhr mitten in der Innenstadt ein 61-jähriger Bernburger angezündet hatte.
Auch wenn die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind: Bei der Polizei geht man davon aus, dass sich der Mann selbst mit Brennspiritus übergossen und angesteckt hat. Die Beamten nehmen an, dass der Mann versucht hat, sich durch Selbstverbrennung zu töten. Seine persönliche Lebenssituation könnte der Grund sein.
Urplötzlich stand der 61-Jährige in Flammen, sagten Zeugen aus. Zwei Passanten, eine Frau aus Güsten und ein Nienburger, waren ihm zu Hilfe geeilt und hatten die Flammen mit Schnee gelöscht. Eine Befragung des Opfers durch die Polizei konnte noch nicht erfolgen. Ansprechbar wird der Mann frühestens am Montag sein. Die Ärzte im halleschen Klinikum Bergmannstrost versetzten den 61-Jährigen ins künstliche Koma. "Der Patient ist zwar außer Lebensgefahr. Er bedarf aber weiterhin einer intensiven medizinischen Behandlung", erklärte Annette Lippstreu, Pressesprecherin im Bergmannstrost.
Anton A. (Namen von der Redaktion geändert) war ein stattlicher und kräftiger Mann. Stolz war der heute 61-Jährige auf seinen gestutzten Vollbart, dem er viel Pflege und Aufmerksamkeit widmete. Mit seiner Offenheit kam er bei den Frauen an und seine Geselligkeit war geschätzt. Dazu kam noch ein mächtige Portion Humor. Eigenschaften, die Claudia B. aus Aschersleben vor über 30 Jahren faszinierten, als sie Anton A. auf ihrer Arbeitsstelle kennen lernte.
Aus der Bekanntschaft wurde später die große Liebe. Es folgten die Heirat in Quedlinburg und sieben glückliche, wenn auch kinderlose, Ehejahre. Bis zum Zeitpunkt, als der gebürtige Bernburger dem Alkohol verfiel und die Beziehung Stück für Stück in die Brüche ging. Gelegt war damit auch das Fundament einer Tragödie, die am Dienstag am Hennebrunnen einen traurigen Höhepunkt erlebte.
Auch Claudia B. steckt der Schreck noch in den Gliedern, nachdem sie von der Polizei informiert und zu ihrem Ex-Mann befragt wurde. "Er hat mit seiner Trinkerei alles kaputt gemacht und mir sehr wehgetan", sagte die 57-Jährige, die eigentlich mit diesem Teil ihres Lebens abgeschlossen hatte. "Das ganze Leben war versaut", sagt sie. Mit der Hilfe eines neuen Lebenskameraden an ihrer Seite und mit Unterstützung der Geschwister fasste sie nach der Trennung wieder Fuß. Anton A., der drei Berufe erlernt und unter anderem als Kran-Elektriker in der Wema gearbeitet hat, verlor wenige Jahre nach der Wende aufgrund seiner Alkoholkrankheit seine Arbeit und blieb bis heute arbeitslos, da er es nicht schaffte, auch nur eine der ihm angebotenen Therapien abzuschließen.
Im Gegenteil: Woche für Woche brauchte der 61-Jährige, so Claudia B., immer mehr Alkohol, um in seiner Welt glücklich zu sein. Das dabei um ihn herum alles zusammenstürzte, registrierte Anton A. nicht und konnte auch nicht mehr reagieren, als seine Ehe vor dem endgültigen Aus stand. "Die Situation war nicht mehr erträglich. Die Polizei ging regelmäßig bei uns ein und aus, weil mein Mann wieder irgendwo sturzbetrunken aufgelesen wurde", erinnert sich Claudia B. Letztendlich wurde Anton A. in eine geschlossene Entzugsanstalt in Niedersachsen eingewiesen, aus der er aber vor über drei Jahren das Weite suchte.
Da Claudia B. aber keinerlei Kontakt mehr haben wollte, suchte der ehemalige Bernburger in der Szene der Alkoholanhängigen in Aschersleben eine Heimstatt. "Seitdem habe ich nichts mehr von ihm gehört", sagt Claudia B. Regelmäßiger Kontakt hatten dagegen seine Tochter und sein Sohn aus erster Ehe. "Wir hatten, soweit es ging, ein gutes Verhältnis", erklärt Simone V. auf Anfrage der Aschersleber MZ, die aber auch kein Geheimnis daraus macht, dass sie unter der Alkoholsucht ihres Vaters zu leiden hatten.