„Bin prinzipiell Optimist“ Anhalts Abgeordneter Kees de Vries nimmt Abschied vom Bundestag
Wie er auf die Niederlage bei der Kandidatenkür 2020 blickt und was er jetzt vorhat.

Bernburg/MZ - Als die Deutschen am Sonntag einen neuen Bundestag wählten, konnte Kees de Vries (CDU) die Abstimmung viel gelassener verfolgen, als es bei der Wahl vor vier Jahren der Fall war. Oder bei der vor acht Jahren. Oder bei der vor zwölf Jahren. 2009 klappte es nicht mit dem Direktmandat, 2013 und 2017 dann schon. Aber dieses Mal trat er nicht mehr an.
Acht Jahre saß der Mann aus Deetz für Anhalt im Parlament, nun geht dieser Lebensabschnitt zu Ende. „Ich gehe in den berühmten Unruhestand. Langweilig wird mir grundsätzlich nie“, sagt der 66-Jährige. Es gebe schließlich genug zu tun - sei es im landwirtschaftlichen Betrieb der Familie, den inzwischen sein Sohn führt. Oder im Landwirtschaftsverein Westfläming, dessen Vorsitzender Kees de Vries ist.
Eine bittere Erfahrung
Dabei muss man aber festhalten, dass der gebürtige Niederländer sich im vergangenen Jahr erneut als CDU-Kandidat für die Region beworben hatte. Doch daraus wurde nichts. Zum einen, weil der damalige Landrat Uwe Schulze überraschend auch seinen Hut in den Ring warf.
Zum anderen, weil mit Frank Wyszkowski ein dritter Kandidat den Landrat und den aktuellen Bundestagsabgeordneten de Vries überflügelte - ein bitteres Erlebnis, das erst einmal verdaut werden musste, wie Kees de Vries heute sagt. „Es war bestimmt nicht angenehm, zu verlieren und ich denke nicht gerade mit Freude daran zurück. Aber das ist abgehakt, gegessen.“
Wer auch immer Anhalt künftig in Berlin vertrete, er oder sie habe eine große Aufgabe vor sich, sagt Kees de Vries. Wenn man den Job richtig mache, kämen nämlich locker 80 Arbeitsstunden pro Woche zusammen. Auch, wenn viele in der Bevölkerung das vielleicht nicht glaubten und ein falsches Bild von der parlamentarischen Arbeit hätten. Die Abstimmungen im Plenarsaal machten nur einen kleinen Teil aus, davor gebe es in der Fraktion, in Ausschüssen und Arbeitsgruppen viel zu klären.
Er habe diese Arbeit gern gemacht, betont der 66-Jährige. Und auch sehr viel gelernt in seinen acht Berliner Jahren. „Erstens: Gelassenheit ist wichtig. Zweitens: Recht haben und Recht bekommen sind zwei verschiedene Dinge. Und drittens: Es geht zu oft um Emotionen, zu wenig um Fakten“, fasst er seine persönlichen Lehren zusammen.
Ihm als Unternehmer sei es am Anfang schwer gefallen, sich mit den Gepflogenheiten der Politik zu arrangieren. Immer wieder erklären, diskutieren, sich auf Kompromisse einlassen und inzwischen verstreicht die Zeit. „Das ist eigentlich nicht meine Art. Ich treffe zügig Entscheidungen.“
Tatsächlich habe er nach gut einem halben Jahr als Abgeordneter ans Aufhören gedacht. Er entschied sich dagegen und machte weiter. Einige Erfolgserlebnisse für die Region habe er auch verbuchen können. Etwa die Zusage von neun Millionen Euro Fördermittel zur Wiederbelebung des Bitterfelder Kulturpalastes. Im Allgemeinen aber könne man im Bundestag keine Klientelpolitik nur für den eigenen Wahlkreis betreiben, sondern müsse auf das große Ganze schauen.
Im vergangenen Jahr hatte Kees de Vries die Bürogemeinschaft mit dem CDU-Politiker Lars-Jörn Zimmer in Bitterfeld aufgelöst. Zimmer hatte sich zuvor in einer Schrift dafür ausgesprochen, „das Soziale mit dem Nationalen zu versöhnen“ und hatte außerdem in einem Fernsehinterview eine möglicherweise von der AfD tolerierte Minderheitsregierung der CDU in Sachsen-Anhalt nicht ausgeschlossen. Die Bitterfelder Bürogemeinschaft mit Zimmer aufzukündigen, sei der richtige Schritt gewesen, sagt Kees de Vries heute.
„Ich würde es wieder so machen, denn wenn man für eine bestimmte Meinung steht, muss man auch Farbe bekennen.“ Die Quittung für dieses Farbebekennen habe er dann bei der Kür des CDU-Bundestagskandidaten für den Wahlkreis Anhalt bekommen. „Ich bin sicher, dass bestimmte Kräfte innerhalb unserer Kreispartei daran gearbeitet haben, dass ich nicht wieder nominiert werde“, sagt er. Heute sei er mit diesem Ausgang aber nicht unzufrieden, wenn er bedenke, wie verbal aggressiv und populistisch es in der Politik inzwischen mitunter zugehe.
Bleibt politischer Mensch
Zu tun gibt es für die Politiker der neuen Legislaturperiode einiges. De Vries zählt auf: Investitionsstau bei den Straßen und in den Schulen. Klimawandel und damit Herausforderungen für die Landwirtschaft. Mögliche neue Flüchtlingsströme nach Europa und Deutschland im Besonderen.
„Ich bin prinzipiell Optimist“, sagt Kees de Vries. Die nächste Generation werde es vermutlich schwerer haben als seine eigene. Aber das Land habe gut ausgebildete junge Leute, die die Probleme in den Griff bekommen können. Und auch, wenn er nicht mehr im Bundestag sei und bereits 2020 aus dem Kreistag ausschied, so bleibe er doch ein politischer Mensch und weiterhin in der CDU: „Ich werde mich einsetzen. Ich werde meine Stimme hören lassen, wenn mir Dinge nicht gefallen.“