Warnstreik bei Ameos Am zweiten Warnstreik am Ameos-Klinikum in Bernburg beteiligen sich auch Ärzte: "Einer guten Pflege steht Profit im Wege"

Bernburg - „Wir sind hier, wir sind laut, weil Ameos uns die Kohle klaut“: Begleitet von Trillerpfeifen skandieren mehr als 150 der insgesamt 400 Beschäftigten des Ameos-Klinikums am Mittwochmittag auf dem Bernburger Karlsplatz diese Parole.
Sieben Jahre nach dem Verkauf der kommunalen Krankenhäuser im Salzlandkreis an den schweizerischen Konzern ist die Geduld bei einem gehörigen Teil der schlecht bezahlten Belegschaft am Ende. Nicht nur beim Pflegepersonal. Am zweiten Warnstreik in Bernburg beteiligen sich auch 17 Ärzte. „Weil wir ohne euch nicht arbeiten und ruhig schlafen können“, erklärt eine Medizinerin bei der Kundgebung den demonstrativen Schulterschluss mit dem Pflegepersonal.
Sieben Jahre nach Verkauf der kommunalen Krankenhäuser ist Geduld vieler Beschäftigter am Ende
Den Ameos-Kliniken in Sachsen-Anhalt droht eine heiße Adventszeit. Die Gewerkschaften Verdi und Marburger Bund auf der einen Seite und der Arbeitgeber auf der anderen stehen sich im Streit um den Abschluss eines Tarifvertrages unversöhnlich gegenüber.
„Wir werden definitiv nicht mit Verdi verhandeln“, hatte Ameos- Regionalgeschäftsführer Lars Timm am Dienstag noch einmal gegenüber der MZ betont. Die Reaktion der Belegschaft auf diese Botschaft ist einen Tag später unmissverständlich: „Schlimm, schlimm, schlimm, weg mit Dr. Timm“, singen die Streikenden in Bernburg, die Transparente und Protestschilder in die Höhe halten.
„Wir wollen pflegen, statt nur den Dienst zu überleben!“, ist darauf ebenso zu lesen wie „Einer guten Pflege steht Profit im Wege“ oder „Arztsein - vom Traumjob zum Jobtrauma“. Die Einführung des Tarifvertrags für den Öffentlichen Dienst an Krankenhäusern und einer 38,5-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich sowie entweder eine Einmalzahlung von 500 Euro oder drei freie Tage, lauten die Forderungen von Verdi.
Gewerkschaft Verdi fordert eine 38,5-Stunden-Woche nebst Lohnausgleich
Ameos bietet hingegen nur eine stufenweise Lohnsteigerung von insgesamt zehn Prozent über die nächsten fünf Jahre sowie Einmalzahlungen in den Jahren 2020 (400 Euro), 2021 und 2013 (je 300 Euro). Voraussetzung ist allerdings, dass spätestens bis zum 27. Dezember mindestens 85 Prozent der Belegschaft darauf eingeht.
Falls nicht, kündigt Lars Timm drastische Einschnitte an. So würden bereits im ersten Quartal 2020 an den Ameos-Standorten in der Region ganze Abteilungen geschlossen. Wo? Das stehe noch nicht fest, so der Regionalgeschäftsführer. Bis zu 800 Arbeitsplätze stünden auf dem Spiel.
„Mit diesem Angebot lässt sich die entstandene Lücke zum Tarifvertrag im Öffentlichen Dienst nicht schließen“, kritisiert Verdi-Sekretärin Manuela Hase. Angesichts der angedrohten Jobverluste fordert sie die Landespolitik zum Handeln auf. Schließlich gehe es um die Daseinsfürsorge.
„Wir erwarten eine Reaktion aus der Politik, haben aber den Eindruck, dass sich alle abducken“, sagt ein junger Arzt
„Wir erwarten eine Reaktion aus der Politik, haben aber den Eindruck, dass sich alle abducken“, sagt ein junger Arzt der MZ. Immerhin erklärten sich die Kreistagsfraktion der Linken und der Bundestagsabgeordnete Jan Korte in einer Pressemitteilung solidarisch mit den Streikenden:
Die Partei fühle sich in ihrer Forderung, Krankenhäuser nicht zu privatisieren, bestätigt. Und weiter: Gesundheit sei keine Ware und eigne sich nicht zur Erwirtschaftung von Gewinnen.
Ein anderer Arzt verweist darauf, dass es wenig motivierend sei, einem Job in dem Bewusstsein nachzugehen, 15 Prozent weniger zu verdienen als Ärzte in umliegenden Krankenhäusern. Und dann werde einem noch das wichtigste Handwerkszeug, das Pflegepersonal, genommen.
Laut Verdi verdiene eine Ameos-Krankenschwester etwa 500 Euro weniger im Monat als eine Kollegin in anderen Kliniken Sachsen-Anhalts. „Trotz allem wird an unserem Krankenhaus eine gute Arbeit geleistet. Aber wir haben Angst, dass es irgendwann schließt, weil keiner mehr kommt. Uns geht es um eine gute Grundversorgung der Bevölkerung“, sagt ein Arzt gegenüber der MZ.
Das gilt nicht nur wegen des bereits erlittenen Imageverlustes für die Patienten, sondern auch fürs Personal. Betriebsratsvorsitzende Iris Hahn sagt, dass sich aufgrund der unattraktiven Bedingungen kaum noch Nachwuchskräfte gewinnen lassen.
Betriebsratsvorsitzende Hahn: Wir bekommen wegen der unattraktiven Bedingungen kaum noch Nachwuch
Für Donnerstag hat Verdi die Ameos-Mitarbeiter in Haldensleben, für Freitag in Schönebeck zum Warnstreik aufgerufen. Am Montag und Dienstag waren bereits die Ascherslebener im Ausstand. Sollte die Arbeitgeberseite bis Ende des Jahres unnachgiebig bleiben, will Verdi eine Urabstimmung einleiten.
„Dann werden wir über Wochen oder Monate in den Erzwingungsstreik treten“, kündigt Manuela Hase an. Die im Marburger Bund organisierten Ärzte hatten sich mit deutlicher Mehrheit für Arbeitskampfmaßnahmen ausgesprochen.
Die Gewerkschafterin ist überzeugt, dass sich die meisten Mitarbeiter nicht mehr einschüchtern lassen: „Das hat vielleicht vor sieben Jahren funktioniert, heute ticken die Uhren anders.“ Seit Wochen verzeichne Verdi fast täglich neue Mitglieder. „Wir zwingen Ameos in die Knie, nicht umgekehrt.“ (mz)