33-Jährige macht Ausbildung 33-Jährige macht Ausbildung: Jobcenter Bernburg streicht Hartz IV-Leistungen

Bernburg - Alexander Winterfeld blickt gespannt nach Berlin. Dort befasst sich der Bundestag mit der Zukunft des Sozialsystems in Deutschland. Für den Bernburger ist dabei besonders ein Antrag der Partei „Die Linke“ auf eine Gesetzesänderung von Interesse.
Im Kern geht es für Winterfeld darum, ob seine Frau Anspruch auf Hartz-IV-Leistungen hat. Die wurden ihr vom Jobcenter nämlich gestrichen, als die 33-Jährige vor wenigen Monaten eine Ausbildung begann. Anspruch auf Bafög hätte sie zwar, aber dafür ist sie zu alt. So lebt die dreiköpfige Familie von 370 Euro pro Monat, die Alexander Winterfeld vom Jobcenter bekommt.
„Wir halten das für untragbar und haben deshalb den Antrag im Bundestag gestellt“, sagt Linken-Bundestagsabgeordneter Jan Korte. Seine Fraktion will erreichen, das bisherige Hartz-IV-System abzuschaffen.
MZ weist auf konkreten Fall hin
Davon könnten am Ende viele, vor allem aber Familie Winterfeld aus Bernburg profitieren. Die MZ hatte Politiker Korte auf den Umstand hingewiesen, dass es offenbar ein riesige Lücke zwischen der Ausbildungsförderung und der Grundsicherung nach dem bestehenden Hartz-IV-System für jene Menschen gibt, die sich auch jenseits der 30 entscheiden, noch einmal Azubi zu werden - wie Winterfelds Frau.
„Es ist in der Tat so, dass Auszubildende, die förderfähig sind, das Bafög aber aus Altersgründen nicht erhalten, grundsätzlich auch keinen Anspruch auf Hartz IV haben“, so Korte. Zwar habe sich mit der Sozialreform im Sommer dieses Jahres die Situation vieler Azubis gebessert, aber nicht bei allen. „Auch nach der Reform werden weiterhin ganze Personengruppe vom Existenzminimum ausgeschlossen“, befürchtet der Bundestagsabgeordnete Korte.
Zu dieser Gruppe gehört auch die Frau von Alexander Winterfeld. Beide Eheleute leben seit 2014 von Hartz IV, nachdem der 36 Jahre alte Bernburger schwer erkrankte und deshalb Frau den Job aufgeben musste. Seine Frau hat zwar keinen Abschluss, wollte das nun aber ändern und etwas zum Unterhalt der Familie beitragen. Im September 2015 begann sie eine Ausbildung zur Physiotherapeutin in Magdeburg. Doch mit diesem Schritt fiel sie in die klaffende Soziallücke. Denn die junge Frau bekam wegen der begonnenen Ausbildung plötzlich kein Geld mehr vom Jobcenter. Und der Bafög-Antrag wurde abgelehnt.
Nicht mehr zuständig, sagt die eine Behörde. Zu alt für eine Förderung, meint die andere. Der jungen Familie drohte wegen der Kürzungen sogar die Obdachlosigkeit - plötzlich war die Wohnung, sie konnten nur mit einem Darlehen vom Jobcenter gerettet werden, weg. Das Geld stottert Alexander Winterfeld jetzt von seinem Hartz-IV-Satz ab. „Es ist Zeit, dass sich etwas ändert. Wenn jemand eine Ausbildung machen will, darf er doch nicht bestraft werden“, sagt der Bernburger.
Würdiges Existenzminimum
Zu dieser Auffassung kommen auch Korte und seine Mitstreiter bei der Linken. Im Wortlaut heißt es im Antrag, der von den beiden Fraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch unterschrieben ist: „Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, eine Gesetzesinitiative vorzubereiten, mit der das Hartz-IV-System abgeschafft und durch eine sanktionsfreie Mindestsicherung ersetzt wird.“ Zentrales Ziel der Partei ist es, den „grundrechtlichen Anspruch auf ein menschenwürdiges Existenz- und Teilhabeminimum in möglichst unbürokratischer Art und Weise“ zu gewährleisten. Strafen, wie sie Bezieher von Hartz IV kennen, sollen abgeschafft werden und Bedarfsgemeinschaften der Vergangenheit angehören. Die Ausbildungsförderungen sollen so angepasst werden, dass ergänzende Sozialhilfen gar nicht erst nötig werden. Bis dahin aber sieht der Antrag der Linken vor, dass es keinen generellen Ausschluss von Leistungen wie im Fall Winterfeld gibt. (mz)