Zwischen 99 und 101 Stufen
Aschersleben/MZ. - Wenn der Turm erzählen könnte - allein am Donnerstag kamen viele neue Geschichten hinzu. Wie die von der Frau, die ihren Dackel Willi die Treppen hochlaufen ließ, beim Abstieg aber hilfsbereit auf den Arm nahm. Oder die Geschichte von Peter Wolf, der staunte, was ein Verein - der von Hildegard Ramdohr geleitete "Förderkreis zur Restaurierung und Erhaltung der historischen Stadtbefestigungsanlagen von Aschersleben" - zu leisten imstande ist. Frau Ramdohr hatte namens ihres Vereins am 3. Mai 2006 der Stadt Aschersleben einen Scheck über 50000 Euro als Anschubfinanzierung zur Sanierung des Turmes überreicht.
Der Turm könnte weitere Geschichten erzählen: Von den zehnjährigen Zwillingen, die sich oben, noch völlig außer Puste, stritten, wie viel Stufen es denn nun seien, 99 oder 100. Oder von Kurt Olschewski, dem Heimatfreund, der vor einiger Zeit angeregt hatte, endlich mal Adolf Hitler aus der Ascherslebener Ehrenbürgerliste zu streichen. Herr Olschewski sagte der Mitarbeiterin im Hoch- und Tiefbauamt der Stadt, Heidrun Wagner, die viele Fragen beantwortete: "Der Turm sieht super aus. Hier wurde sehr ordentlich gearbeitet." Herr Olschewski bedauerte, dass kein Spendenglas da stand. Überhaupt wollten viele Menschen gern etwas spenden, um ihre Dankbarkeit für die Turmsanierung zu zeigen.
Geschichten, die der Turm erzählen könnte, sind auch diese: Dass Fachleute der Stadt Aschersleben wie Falk Bormann aus der Abteilung Hochbau gemeinsam mit dem Naumburger Ingenieurbüro von Dr. Werner Behrens Wege suchten und fanden, eine qualitativ anspruchsvolle Sanierung zu realisieren. Dass die Erfurter Pressbauer erst einmal tonnenweise Schmutz und Vogelkot herausholen mussten, bevor sie "richtig" mauern und putzen konnten. Dass die Dachdecker und Zimmerer der Quedlinburger Firma Sporleder & Hecker Alt- und Neumaterial verbanden und das Dach mit Thüringer Schiefer deckten; dass die Elektriker der Ascherslebener Firma Jorgol für gutes Licht und die Ermsleber Firma Behova für eine komplett neue Treppe sorgten.
Die eigentlichen Künstler bei der Sanierung des Turmes kommen allerdings aus dem Mansfelder Land, aus Alterode: Die Männer der Gerüstbaufirma Peter Vollmann bauten das Gerüst über Nachbarhäuser hinweg, ohne diese zu berühren.
Auch das ist eine Geschichte wert: Die Sanierungskosten in Höhe von 165000 Euro liegen weit unter den ursprünglich geplanten 198000 Euro. Damit reduziert sich der Anteil der Stadt auf unter 30000 Euro und der Anteil aus dem Programm städtebaulicher Denkmalschutz auf unter 100000 Euro.
Die nächsten Geschichten des Turmes werden vielleicht Mauersegler oder Turmfalken schreiben. Denn für sie wurde im Turmhelm ein großes Einflugloch gelassen. Baufachmann Falk Bormann wünscht sich, dass der Turm ein ständiges Zuhause für gefiederte Bewohner wird, aber dennoch an bestimmten Tagen im Jahr interessierte Besucher die Treppen aufsteigen, die Stufen zählen und rätseln können, wieviel es denn nun sind: 99, 100 oder 101. Das Besondere an diesem Turm ist nämlich: Jede dieser Zahlen stimmt. Aber das wäre schon wieder eine andere Geschichte.